Es ist eine Weile her, dass ich die Muße hatte Literatur zu testen. Nicht dass ich dem Lesen den Rücken gekehrt hätte, aber als ‚Pendler‘-Lektüre morgens und abends im Zug ging einfach nur seichter Lesestoff auf dem eReader.
Letzte Woche habe ich mich endlich wieder an was Neues herangewagt. Und weil ich ein wenig auf Entzug war, hab ich Ingvar Ambjørnsens ‚Die Nacht träumt vom Tag‘ sogar zu Ende gelesen. Ich will damit nicht sagen, es wäre mir schwer gefallen, aber ob ich das Buch empfehlen würde, hm, mal sehen.
Menschen tauchen in diesem skandinavischen Erzählwerk einige auf, wesentlich mehr als Sune, der sich der Verantwortung eines alltäglichen Lebens in der Stadt schon lange entzogen hat, es ertragen kann. Aber die Umstände bringen es mit sich, dass er immer wieder die Einsamkeit der Wälder Nordnorwegens verlassen muss. Dann spielt ihm das Schicksal die Vietnamesin Vale in die Hände, die ihre eigene Geschichte mit sich trägt. Für eine kurze Zeit verknüpfen sich ihre Wege.
Ich habe eine Weile gebraucht mich in die Sprache einzulesen. Die im Buch erzählte Geschichte erfordert eine Aufmerksamkeit, die ich ihr manchmal schuldig geblieben bin. Dennoch musste ich dran bleiben, musste wissen, wie es mit Sune weitergeht, wurde ohne es recht zu merken, und vor allem zu wollen, in seinen Bann gezogen.
Tatsächlich hat mich die kalte, feuchte, neblige, dunkle Beschreibung dieser Herbsttage, in denen wir einen kurzen Einblick in das Leben von Sune, Vale und den anderen erhalten, gefesselt und fasziniert.
Deshalb gibt es die Leseempfehlung nur für Freunde leicht düsterer, einsamer, nebelverhangener skandinavischer Literatur.
„Wir essen mit den Fingern. Lecken das Fett ab. Es wird dunkel. Die Flammen im Feuer nehmen ein tiefes Gelb an, mit blauen und grünen Einsprengseln. Ab und zu ein Knall, und ein Funken, der wie eine Sternschnuppe durch den Abend huscht. Sagen ab und zu etwas. Schweigen. … Ich kann aus der Stadt hinaus und auf den Pfad gehen, aber die ganze Zeit werden neue Hände nach mir greifen. Und das einzig Neue an dieser Erkenntnis ist, dass sie mir jetzt zu schaffen macht.“