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Borrmann ‚Die andere Hälfte der Hoffnung‘ und ‚Postcards from Pripyat‘ by Danny Cooke

Vor ein paar Wochen habe ich eine Handvoll Hörbücher geschenkt bekommen. Darunter auch ‚Die andere Hälfte der Hoffnung‘ von Mechtild Borrmann. Ein ziemlich beeindruckendes Buch. Ich kann nicht beurteilen, ob es bei mir als Buch einen ebenso tiefen Eindruck hinterlassen hätte, wie als Hörbuch, denn vermutlich hätte ich es nie gelesen. Und vermutlich hätte ich auch ‚vergessen‘ darüber zu schreiben, wenn mir nicht in einem Facebook-Posting dieses bewegende Video von Danny Cooke über den Weg gelaufen wäre, das mir einen kleinen Eindruck von der ‚Verbotenen Zone‘, wie die Stadt Pripyat heute bezeichnet wird, verschafft hat.

Postcards from Pripyat, Chernobyl from Danny Cooke on Vimeo.

Earlier this year I had the opportunity to visit Chernobyl whilst working for CBS News on a '60 Minutes' episode which aired on Nov. 23, 2014. Bob Simon is the correspondent. Michael Gavshon and David Levine, producers. For the full story http://www.cbsnews.com/news/chernobyl-the-catastrophe-that-never-ended/ ----> ***Soundtrack 'Promise land' by Hannah Miller - licensed on themusicbed.com Chernobyl is one of the most interesting and dangerous places I've been. ... www.dannycooke.co.uk Follow me on twitter @dannycooke Shot using DJI Phantom 2 (GoPro3+) and Canon 7D

Mechtild Borrmann verknüpft in ihrem – warum im Genre Krimi eingeordnet, darüber könnte man diskutieren – Roman die Lebenslinien mehrerer Personen. Da ist unter anderem Walentyna, die zurückgekehrt ist in das ‚tote‘ Pripyat und ihre tragische Geschichte in Briefform erzählt, der Ukrainer Leonid, der sich in Deutschland auf die Suche nach verschwundenen Mädchen macht, Krystyna, die in der Nähe der holländischen Grenze vom verschrobenen Martin Lessmann auf seinem Hof versteckt wird. Zwischenzeitlich habe ich gedacht, dass die Autorin zu viel will, zu viele Handlungsstränge, Schicksale versucht darzustellen. Aber sie kriegt die Kurve hin, wir nehmen es ihr ab und wenn am Ende die Fäden entwirrt sind, macht sich ein kleines bisschen Erleichterung breit, auch wenn die Grundstimmung eine sehr traurige ist.

Mich am meisten bewegt hat die Lebensgeschichte von Walentyna, hier bringt uns die Autorin ganz nah ans Geschehen, an die Katastrophe von Chernobyl, erschreckend, schaudern machend realistisch in der  Gutgläubigkeit, Naivität, fatalen aber nachvollziehbaren Vertrauensseligkeit der Menschen, die dort lebten.

Interessanterweise – so ist das, wenn man einmal anfängt sich mit einem Thema zu beschäftigen – bin ich vor kurzem über einen Artikel im Telegraph gestolpert („The women living in Chernobyl’s toxic wasteland“), der beschreibt, dass und warum viele der älteren Menschen, die einst in Pripyat lebten, wieder zurück kommen, um an dem Ort, der für sie Heimat bedeutet, ihren Lebensabend zu verbringen.

Ich will jetzt hier gar nicht tiefer in die Materie eindringen, jeder, den es interessiert, kann sich im Netz genug Material zusammentragen, ich wollte allem voran den wirklich ergreifenden Roman (das Hörbuch) von Mechtild Borrmann empfehlen und mit dem Titel des oben erwähnten CBSNews-Beitrags enden: „Chernobyl: The catastrophe that never ended“.

Mechtild Borrmann ‚Die andere Hälfte der Hoffung‘, Audio Media Verlag, ISBN 978-3-86804-849-0

 

Donna Tartt ‚Der Distelfink‘ – eine Hörempfehlung

DistelfinkWie soll man etwas Neues zu lesen anfangen nach diesen 33 Stunden, eingetaucht in die Welt des Theo Decker, gefangen genommen von der charismatischen Stimme eines Matthias Koeberlin, der es schafft die Figuren, die Handlung, die Orte so lebendig werden zu lassen, dass jede Unterbrechung wie ein Aufwachen aus einem intensiven Traum erscheint.

Tatsächlich habe ich mir beim Lesen eines Buches noch nie darüber Gedanken gemacht, wie viele Stunden ich wohl mit der Geschichte verbracht habe. Bei einem Hörbuch mit Zeitangabe ist das anders, da stellte sich mir ständig die Frage „schaffe ich wohl noch ein paar Kapitel?“.

Überhaupt, Hörbuch? Nein, bisher hatte sich mir die Welt der Hörbücher nicht eröffnet. Es gab keine Notwendigkeit, wenig Gelegenheit. Literatur wird selber lesend verschlungen.

An Donna Tartts ‚Goldfinch‘ (im Original) bin ich kläglich gescheitert. DistelfinkDieses Buch war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Lange, scheinbar endlose Passagen von Beschreibungen, die für den Spannungsbogen der Geschichte nicht zwingend notwendig erschienen, sind – das gebe ich offen zu – einfach nicht mein Ding.

Ich fand das schade, hatte ich doch gute Besprechungen gelesen und war neugierig auf diese Geschichte, ich wollte es unbedingt lesen. Und dann, zu meiner Freude, habe ich gleich von zwei Seiten die Hörbuch-Empfehlung der deutschen Ausgabe bekommen, gelesen von Matthias Koeberlin, ein Glücksfall.

Was für ein Erlebnis. Die (mich) beim Lesen ermüdenden Beschreibungen werden zur Ouvertüre des Handlungsstrangs, die Szenarien erhalten ihre Farbe, die Spannung wird dem Höhepunkt entgegengetrieben. Zugegeben, zwischenzeitlich wollte ich ihn schütteln, diesen naiven Theo, der alles irgendwie mit sich geschehen lässt, nicht eingreift, sich nicht widersetzt und immer tiefer in seine DistelfinkFantasie-Lügengeschichten verstrickt. Man hat ihn trotzdem, oder gerade deswegen, gern. Vielleicht auch, weil ihm andere, allen voran sein Freund Boris, als Mit- (Gegen?-) spieler zur Seite gestellt werden. Vermutlich muss seine Figur genau so sein, wie sie ist, um seinem Lebenslauf die auf den Höhepunkt zustrebende Dramatik zu verleihen.

Waren die ersten zwei Drittel Distelfinkdes Buches unterhaltsam, die konsequente Einleitung, das Kennenlernen der Menschen , so zielt alles auf das letzte Drittel, die Steigerung hin zum fulminanten, dem alle Register ziehenden Finale.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn erwähnen soll, muss, den Distelfink, dieses meisterhafte Gemälde, das dem Buch seinen Namen gibt. Hiermit getan, alles weitere… hört doch selbst, es lohnt sich!

Eine uneingeschränkte Hör-Empfehlung!

Donna Tartt ‚Der Distelfink‘, ungekürzte Lesung, gelesen von Matthias Koeberlin, Hörverlag ISBN 978-3-8445-1379-0

ps: wen es wundert, warum ich Fotos von New York und Las Vegas zur Auflockerung eingestreut habe … klar hat es etwas, um genau zu sein, ziemlich viel mit der Geschichte zu tun 🙂