Benedict Wells ‚Vom Ende der der Einsamkeit‚
„Vielleicht schreibst du nicht auf Papier, doch in deinem Kopf tust du es, sagte sie mit ihrer leisen Stimme und berührte mich am Arm. Das hast du schon immer getan. Du bist ein Erinnerer und Bewahrer, und du weißt es.“ (Alva über Jules)
Gerade habe ich es zur Seite gelegt, ausgelesen, mit Tränen in den Augen, denn auch wenn es versöhnlich, positiv aufs Leben schauend, zukunftsgerichtet endet, es ist in seiner Grundstimmung ein trauriges Buch. Aber doch wieder nicht so traurig, dass es weh tut. Ohne es falsch klingen lassen zu wollen, irgendwie schön traurig. Romanhaft traurig. Mit lebendiger Traurigkeit, die man mitfühlt. Tragik, die man nachvollziehen kann, Gefühle, die wir mitleben.
Bücher, die mich berühren haben meistens einen (oder auch mehrere) Sätze, die mir besonders ins Auge fallen. So ging es mir mit oben zitiertem Satz aus Benedict Wells neuem Roman. Es hat mich daran erinnert, dass tatsächlich immer ich diejenige bin, die in unserer Familie von Szenen aus der Kindheit erzählt, von Ereignissen, die mich – und wie ich lange dachte, auch alle anderen Beteiligten – geprägt haben.
Bei jedem Zusammentreffen mit meinen Eltern, Bruder, Verwandtschaft fallen mir kleine Episoden aus der Kindheit und Jugend ein. Es fasziniert mich immer aufs Neue, dass sich sonst niemand erinnern kann, mir manchmal sogar eine ausgereifte Phantasie nachgesagt wird. Ich aber bin mir sicher, alles genau so erlebt zu haben. Vermutlich soll das so sein, in jeder Familie sollte es einen Erinnerer geben, eine Person, die all die kleinen und großen Begebenheiten, die Emotionen, den Schmerz, die Freude bewahrt, das Gedächtnis der Familie ist.
Ein wirklich schöner Gedanke, auf den ich durch ‚Vom Ende der Einsamkeit‘ gestoßen bin.
Erschienen im März 2016 im Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-06958-7
geb. Ausgabe ca. 22.-€