Draußen ist Winter. Bisher kein überwiegend kalter. Kälte stört mich nicht auf meinem Weg zur Arbeit. Schnee, Glätte und Regen schon. Ich fahre die gut 13 Kilometer, einfache Strecke, mit dem Fahrrad. Gerne immer, aber immer geht eben nicht. Ich brauche ca. 45 Minuten für die Strecke und ja, ich fahre mit einem Pedelec.
Mit einem normalen Fahrrad, das gestehe ich mir freimütig zu, könnte ich mich vermutlich nur ab und zu aufraffen zu radeln. Ich muss zwei kurze aber steile Hügelchen überwinden und das würde mich abhalten.
Der erste Winter im neuen Job begann mit einem Lockdown. Wir erinnern uns, mitten im Weihnachtsgeschäft musste die Buchhandlung von heute auf morgen geschlossen werden. Viele Bücher lagen als Geschenke zur Abholung bei uns bereit.
Und so kam die Idee auf, die Belieferung der Kunden in einem bestimmten Radius doch mit dem Rad zu übernehmen. Für mich der Einstieg in die Radeln-zur-Arbeit-Routine.
Unterwegs
Viele Jahre lang habe ich gemeinsam mit einer Freundin Langstreckenwanderungen unternommen. Was wir beide immer faszinierend fanden, war das Wandern durch den Wechsel der Jahreszeiten. Heute genieße ich das auf meinem Weg in die Arbeit.
Der Herbst war und ist schon immer meine liebste Jahreszeit, aber letztlich sind es die Jahreszeiten an sich und der Wandel in der Natur, den ich liebe.
Ich bin nicht immer ruhig und ausgeglichen auf meinem Weg. Ich schimpfe viel vor mich hin, über andere mehr als über mich selber – ist ja klar 😉 . Mein Weg führt mich an zwei Schulen vorbei. Viele Kinder kommen hier mit dem Rad zur Schule, das wird oft eng auf Straßen und Radwegen. Die Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen tragen ihr übriges zur verschärften Situation bei. Ihr könnt euch vorstellen, was ich meine.
Vom Parken auf den Radwegen, geöffneten Autotüren, keine Rücksicht beim Abbiegen usw., das jeder Radfahrer kennt, brauchen wir gar nicht reden.
Im Winter ist es morgens und abends dunkel auf meiner Strecke. Eine funktionierende Lichtanlage scheint vielen Radlern ein Luxus, schwarz die bevorzugte Radlerbekleidung. Auch Jogger sind sich oft nicht bewusst, dass man sie ohne Reflektoren an der Kleidung nicht erkennen kann. Dabei belasse ich es jetzt mal mit Mäkeln, denn eigentlich möchte ich hier ja zum Ausdruck bringen, wie sehr ich es mag den Tag auf dem Rad zu beginnen.
Interessant ist es immer meine Stimmung zu beobachten, wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder – selten – mit dem Auto fahre. Dann fehlen mir nicht nur die morgendliche Bewegung, sondern auch die Eindrücke entlang der Strecke und das Draußensein.
Die Strecke
Habe ich den Stadtteil vorbei an den Schulen überwunden, der nur ca. ein Viertel meiner Strecke ausmacht, geht es in den Wald. Im Winter ist das Waldstück der Hauptgrund, warum ich nicht radel, denn dort ist es oft rutschig nach Schnee- oder Regenfall. Im Sommer bietet das Eintauchen in den Wald willkommene Abkühlung. Denn unter dem schützenden Blätterdach ist es immer einige Grad kühler.
Aus dem Wald heraus lande ich am Augsburger Hochablass, einer Staustufe des Lech. Der Winter beschert mir dort grandiose Sonnenaufgänge, der Herbst wunderschöne Sonnenuntergänge. Oft wabert der Nebel über dem Lech und dem angrenzenden Kuhsee.
Gefühlt halte ich hier jeden zweiten Tag an und fotografiere. Ab hier geht mein Herz auf, denn jetzt gibt es nur noch freie Blicke.
Vom Hochablass, entlang des Kuhsees zum südöstlichen Stadtrand Augsburgs mit Blick über die Felder der Sonne entgegen. Auch hier halte ich oft an und mache ein Foto von immer der gleichen Stelle und bin jedes Mal überrascht, dass keines dem anderen gleicht.
Beim Überqueren der Bahnstrecke auf einer Brücke öffnet sich bei klarer Sicht der Blick auf die Alpen. Da kann ich nicht umhin ein bisschen wehmütig zu werden und würde – so sehr ich meinen Job mag – lieber in den Zug gen Süden steigen. Tatsächlich ist auch das ein Teil der Motivation, freie Tage nicht zu verbummeln, sondern in die Berge zu fahren.
Der Rest der Radelstrecke sind offene Felder, Kuhweiden und ein letzter steiler Anstieg. Bei Wind das anstrengengste Stück und oft muss ich trotz Unterstützung ganz schön dagegen anstrampeln.
Im Sommer kann es passieren, dass ich den nahe gelegenen See abends noch für eine kleine Schwimmrunde nutze. Im Winter ist es stockdunkel im Wald und manchmal ein bisschen gruselig. Nichtsdestotrotz tut es gerade abends besonders gut sich aufs Fahrrad zu setzen, denn der Körper freut sich nach dem vielen Stehen tagsüber auf ein wenig Bewegung.
So hoffe ich, dass ich noch lange die Energie aufbringe das mit dem Radeln zur Arbeit durchzuhalten. Denn nichts ist besser als das gute Gefühl beim Ankommen in der Buchhandlung schon draußen gewesen zu sein und vielleicht sogar kleine Glücksmomente gehabt zu haben.
Und irgendwann kommt auch noch die Gewöhnung an Schnee und Regen. 😎
Wie schön das alles ist, Claudia! Und was für ein Geschenk, die Jahreszeiten und die Wege so unmittelbar mitzubekommen. Ich werde bald auch wieder einen Weg zur Arbeit im Heimbüro mit dem Rad fahren. Man geht einfach komplett anders ans Werk und hat sich gefühlt.