Nationalparks dürfen auf einer Reise durch durch die USA eigentlich nicht fehlen. Auf meinem Weg entlang der Grenze zwischen den USA und Kanada hatte ich mir als Highlight den Glacier National Park ausgesucht. Danach wollte ich entscheiden, welche Route mich an meinen Abflug-Flughafen Chicago O’Hare bringen würde. Ganz eventuell hätte es auch noch einmal der Yellowstone NP werden können, was sich Strecken- und Wetterbedingt dann allerdings zerschlug.
Von Seattle aus erreicht man in gemütlichen und interessanten zwei Tagen Fahrzeit den südwestlichen Eingang des Glacier NP.
Glacier National Park, Montana USA
Wie so oft beim Fahren durchs Land war auf dem Highway nicht viel los, kommt man im Park an, wundert man sich, wo auf einmal all die Menschen herkommen. Der große Campingplatz in Apgar, gleich am McDonald Creek (der eigentlich ein See ist) gelegen, hatte aber noch ein Plätzchen für mich frei.
Da es schon später am Nachmittag war, wurde nur schnell das Zelt aufgebaut, um dann im kleinen Touristenort ‚bummeln‘ zu gehen. Es reihen sich ein paar Souveniershops aneinander, die auch das Nötigste zum Campen anbieten und natürlich ein Restaurant und Cafe. Ich gestehe, es war mir ein bisschen zu viel Trubel.
Der See lockte mehr und da für den späteren Abend schlechtes Wetter vorhergesagt war – konnte man zu diesem Zeitpunkt nicht glauben – wollte ich die tolle Landschaft dort noch in Ruhe genießen.
Abende auf Campingplätzen in den USA haben für mich eine gewisse Routine. Die Facilities werden inspiziert, die Nachbarn begutachtet, vielleicht ergibt sich ein Plausch, vielleicht will man für sich sein. Ich richte mein Abendessen her, das meistens aus Salat, Dips, Crackern oder sonstigem kalt Essbarem besteht. Kocher hatte ich dieses Mal keinen dabei. Dazu ein lokales Bierchen, mein E-Reader und ich bin im Urlaub.
Solange es hell, warm genug und trocken ist, sitze ich an der Stuhl-Tisch-Kombination, die auf nahezu allen Campingplätzen der USA zu finden ist. Ich schreibe im Reisebuch, male die gefahrene Strecke in die Karte ein und überlege, wo ich wohl morgen hinfahren werde.
Sobald es dunkel wird, setze ich mich ins Auto und lese dort, bevor ich ins Zelt krabbele.
Da ich Gepäck sparen wollte, hatte ich auf dieser Reise nur die kleine Grundausstattung dabei. Ein Fehler, wie sich schon in der zweiten Nacht im Zelt herausstellte. Die Isomatte zu klein (60 cm breit), kein gutes Kissen, das Zelt leicht aber klein. Meinem Rücken und Schlafbedürfnis zuliebe habe ich das Zelten nach den National Parks aufgegeben und bin auf Motels umgestiegen. Ein zwar wesentlich teureres, dafür bequemeres Schlafen und Reisen.
Hier im Glacier National Park hat es mich dann ordentlich erwischt. Ich hatte mich gerade im Zelt eingerichtet, da fing es an zu regnen. Und hörte den Rest der Nacht nicht mehr auf. An Schlaf nicht zu denken, zu laut trommelte der Regen aufs Zelt, das irgendwann völlig durchweicht war. Als gegen vier Uhr morgens dann auch noch Donner hinzukam, bin ich ins Auto geflüchtet. Gewitter im Zelt unter Bäumen ist kein Spaß. Ich hatte es kaum ins Auto geschafft, fing es an zu hageln. Die Freuden des Zeltens.
Der erste Morgen im Park war also eher ungemütlich, auch wenn der Regen stoppte. Also erstmal ein kleines Frühstück im Auto sitzend einnehmen, später zum Kaffee holen in den kleinen Ort.
Das völlig durchnässte Zelt wurde nass eingepackt. McDonald Creek hatte nach dieser regenerischen Nacht seine eigene Stimmung, irgendwie auch toll. Ich dachte mir, nun denn, jetzt bin ich hier, also wird die Scenic Route durch den Park auch gefahren, schlechtes Wetter hin oder her. Schließlich heißt die Straße ‚Going-to-the-Sun-Road‘.
Die Sonne habe ich an diesem Tag nicht mehr gesehen, aber beeindruckende Landschaft, tolle Berge und eine kleine Wanderung war auch noch drin. Zudem ist die ‚Sonnenstraße‘ eine phantastische Passstraße, die echt Spaß macht zu fahren. Am höchsten Punkt, dem Logan Pass fast noch oder schon Winter, zu viele Menschen und kein Ausblick.
Letztlich ist es hier bei Sonnenschein sicher sehr beeindruckend, mir war es von der Aussicht, der Bewegung und den Bergen her zu wenig, von Wolken, Kälte und Nässe her zuviel.
So wollte ich die Rocky Mountains nicht verlassen, da musste schon noch ein anderes Highlight her.
Im Hauptort St. Mary am Osteingang des Glacier NP habe ich deshalb erst einmal ein Kaffeepäuschen zum Nachdenken eingelegt. Gefahren bin ich ja immer nach der Michelin-Karte USA West – Kanada West, hatte also die angrenzenden kanadischen Provinzen praktischerweise auch abgedeckt.
Nach kurzer Überlegung und Nachfragen bei Einheimischen, entschied ich mich spontan in den an den Glacier NP angrenzenden Waterton Lakes National Park in Kanada zu fahren. Das waren zwar nochmal fast drei Stunden Fahrtzeit, aber die sollten sich lohnen.
Waterton Lakes National Park, Alberta Kanada
Während der Fahrt sollte sich zwar das Wetter nicht ändern, dafür hatten Landschaft und Natur einiges zu bieten. Unterwegs auf diesem kleinen Highway war kaum jemand und ich konnte gemütlich fahren. Die Grenze zwischen den USA und Kanada ist eine ‚grüne‘ und die Passkontrolle mag genau sein, ist aber mit freundlichem Geplauder verbunden.
Irgendwo unterwegs lief mir eine Herde Pferde über den Weg und kurz vor dem Eingang zum Waterton Lakes NP hatte ich meine erste Begegnung mit einem Bären. Im ersten Moment musste ich zwinkern, als ich das braune Bündel am Straßenrand sah. Dann entpuppte es sich als junger Grizzly. Wow. Da dachte ich mir, hat sich die Fahrt nach Kanada schon gelohnt.
Schließlich war ich schon öfter in Gegenden der USA, in denen es Bären gibt, tatsächlich gesehen hatte ich noch keinen.
Nur ein paar Kilometer weiter sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung in der Ferne und hielt an. Unglaublich, aber da lief ein Schwarzbär durchs sumpfige Grasland. Jetzt war ich restlos begeistert. Zudem sah die Landschaft atemberaubend aus. Viel besser konnte dieser Tag fast nicht werden.
Nachdem das Zelt pitschnass war und weiterer Regen drohte, hatte ich mich dem Luxus eines Hotelzimmer hingegeben. Waterton ist ein netter Touristenort im Nationalpark mit etlichen Unterkünften. Wie mein Glück es an diesem Tag wollte, hatte ich ein Zimmer im Erdgeschoss mit Blick auf die Straße. Gerade hatte ich es mir auf dem Bett bequem gemacht, spitzelt ein kleiner neugieriger Schwarzbär zum Fenster rein. Bis ich das registriert hatte, spazierte er in Seelenruhe über die Straße.
Nach so viel freudiger Aufregung beschloss ich mir ein schönes Abendessen zu gönnen und den Tag gebührend zu feiern.
Der nächste Tag
… begann mit einem Frühstück im Zimmer und Sonnenschein vor der Türe.
Da im Park fast alle Straßen wegen Reparaturarbeiten aufgrund eines großen Feuers im Frühjahr gesperrt waren, wollte ich wenigstens eine kleine Wanderung machen. Ich hatte mir am Vortag neue Wanderschuhe gekauft, die sollten getestet werden.
Ziel war ein kleiner Wasserfall, der in einer guten Stunde bergauf zu erreichen war. Überall waren die verkohlten Stämme der verbrannten Bäume zu sehen, aber der Wald stand schon wieder in voller Blüte. Ich konnte gar nicht aufhören die Blumenvielfalt zu bewundern. Eine wirklich tolle kleine Tour, bei der ich einen Vorgeschmack auf den Waterton NP bekommen habe. Prädikat unbedingt nochmal herkommen. Die Schuhe haben ihre Taufe übrigens auch prima überstanden.
Da ich ja leider auf dieser Reise ziemlich unter Zeitdruck stand – selbstverschuldet, wenn man von Seattle nach Chicago in 14 Tagen fahren möchte – wollte ich an diesem Tag noch ein Stück weiter Richtung Osten fahren.
Quert man die grüne Grenze zwischen Glacier NP und Waterton Lakes NP, dann freuen sich die Grenzbeamten, dass mal jemand vorbei kommt. Der kandische Beamte wollte wissen, ob ich denn noch mehr in Kanada würde anschauen wollen. Ich wollte. Und zwar als Kontrast zu den Rocky Mountains die Ebenen des Grassland National Park in der Provinz Saskatchewan. Auf meine Frage, ob es denn eine gute Straßenverbindung durch Kanada dorthin gäbe, gab es ein müdes Lächeln und die Antwort: „besser zurück in die USA, den schnellen Highway 2 nutzen und wieder zurück nach Kanada. Auf unseren Straßen kann man nur langsam fahren“.
Okay. Die Fahrt ging also über den bekannten Pass und Grenzübergang nach Montana zurück, dieses Mal bei strahlendem Sonnenschein und wunderbarem Blick auf die Bergwelt. Bären kamen keine mehr, dafür ein paar Pferde.
Grassland National Park, Saskatchewan Kanada
Dass ich nach Verlassen des Waterton Lakes NP am frühen Nachmittag noch 300 Meilen runterschrubben würde, hätte ich nicht gedacht. Irgendwo in Montana in einem kleinem Ort am Highway 2 hab ich in einem Motel übernachtet. Die Berge begleiteten mich noch eine Weile im Rückspiegel, während ich in die großen Weiten der Plains hinein fuhr.
Am nächsten Tag dann wieder das nette Procedere an der Grenze. Dieses Mal mit einem „ach, Sie waren schonmal in Kanada. Warum kommen Sie wieder? Wie lange wollen Sie bleiben?“ Nachdem ich alles schön brav und ehrlich beantwortet habe, kam der Plauderteil und mir wurde jede Menge Info-Material inklusive Anfahrtbeschreibung zum Park übergeben. Ich hätte ja jeden Tag über die Grenze fahren können, hier wie dort habe ich die netten Unterhatungen in Erinnerung.
Tatsächlich ist der Park mit seiner Gründung 1981 noch recht jung und somit auch nicht so bekannt. Den westlichen Teil erreicht man aus Val Marie, wo sich auch das kleine Visitor Center befindet.
Die Straße dorthin ist – und da muss ich dem kanadischen Grenzbeamten dankbar sein – klein und holprig und nur langsam zu befahren. Im Park angekommen gibt es keine geteerte Straße mehr, aber eine gut zu fahrende Gravel Road. Schon auf dem Weg von Montana nach Val Marie ist unschwer zu übersehen, dass wir uns jetzt in dem Landschaftsteil befinden, den wir wohl Prärie nennen dürfen. Es ist zwar leicht hügelig, aber kein Baum weit und breit, nur Graslandschaft.
Im Grassland NP wird man von einer Kolonie Präriehunde begrüßt. Es handelt sich wohl um die einzige Präriehund-Kolonie Kanadas. Dafür sind die kleinen flinken putzigen Kerlchen überall.
Der Campingplatz ist recht groß und liegt in einer kleinen Senke. Mein Zelt war ja noch pitschnass im Kofferraum von der verregneten Nacht im Glacier NP. Hier waren optimale Bedingungen zum Trocknen. Sonne, Wind, Wärme. Und unglaublich, hier mitten im Nichts in dem Versorgungshaus auf dem Campingplatz, das auch als Schattenspender dient, gab es WLAN. So etwas verblüfft mich immer noch.
Am Abend war noch ein Spaziergang drin, zum Sonnenuntergang mit Blick auf die Prärie. In der Ferne zog eine Hirsch-Familie vorbei und ein einsamer Elch. Die Bisons, die hier im Park angesiedelt sind, habe ich leider nicht zu Gesicht bekommen.
Die Nacht war – wie erwartet – nicht erholsam. Nachdem das Zelt wieder trocken war, habe ich beschlossen, dass es das jetzt war mit dem Zelten.
Für morgens war ein Ranger Talk angekündigt, mit Kaffee im Cowboy Style. Also in großem Pott auf offenem Feuer gekocht. Die Rangerin hat vom Cowboy-Leben erzählt und dann gabs Kaffee für alle. Der war tatsächlich ziemlich lecker und ich konnte mir noch was in meine neu erstandene Thermoskanne füllen für unterwegs.
Für mich hieß es anschließend zusammenpacken und noch eine entspannte Runde durch den Park drehen. Ein kurzer Hike, ein paar Fotos und weiter gings in Richtung Ostteil des Parks. Das sind nochmal so ca. 120 Kilometer über die erwähnten kleinen holprigen Straßen.
Unterwegs wollte ich in einem der kleinen Orte tanken, weil sich mein Benzin zu Ende neigte. Nach drei Versuchen, es gab Zapfsäulen, aber nur an Läden und ohne Kreditkartenfunktion, wurde ich langsam zappelig. Dummerweise war Sonntag und Kanada ist nicht die USA, alles geschlossen. Kurz vor Eingang zum Ostteil des Grassland NP hab ich an einem Ort angehalten, um die Leute zu fragen, wo ich tanken könnte, weil mein Benzin nur noch für ca. 70 Kilometer reicht. Mir wurde dann ein Ort in 50 Kilometer Entfernung genannt, aber in die entgegensetzte Richtung. Die Grenze zur USA war nur noch 30 Kilometer entfernt und der nächste Ort kurz dahinter. Die netten Menschen haben für mich dann im Internet nachgeschaut, ob dort Kartenzahlung möglich ist und mich mit den Worten entlassen „you are a crazy Lady“.
Nun gut. Da der Park nochmal 20 Kilometer vom Tank gefressen hätte, musste er auf mich verzichten. Nicht ganz entspannt bin ich dann die letzten Kilometer bis zur Grenze in die USA gefahren.
Ach, und ich mag sie wirklich die Menschen an diesen grünen Grenzen. Nach dem üblichen „wie lange wollen sie bleiben? warum wollen sie in die USA? Haben sie ein Rückflugticket? usw.“, konnte ich mein Anliegen bezüglich der Tankstelle zum Ausdruck bringen.
Nicht nur habe ich eine ausführliche Wegbeschreibung zur Tankstelle erhalten, sondern auch, welche Zapfsäule meine Kreditkarte nimmt, und das unvermeidliche Prospektmaterial mit den Sehenswürdigkeiten Montanas gabs obendrauf.
Für mich ging die Reise dann weiter ohne weitere Nationalpark-Highlights.
Mir hat es auf dieser Reise in den kanadischen Parks besonders gut gefallen. Weniger los, okay, schöneres Wetter 😉 , freundliche Menschen, nette Unterhaltungen und gefühlt eine entspanntere Atmosphäre wie in den USA.
Die Liste der noch zu besuchenden Orte und der ‚unbedingt nochmal hin‘-Plätze ist wieder ein Stückchen länger geworden 🙂
Sehr schöner Bericht. Wir waren auch im Glacier Nationalpark und ich glaube sogar auf dem selben Campingplatz. 🙂 Uns hat die Going-to-the-Sun-Road und die vielen Wanderwegs am besten gefallen. Eine wirklich sehr schöne Gegend.
Viele Grüße,
Andreas
Schöne Fotos bei euch auf der Seite. Bei Sonne gibt der Park doch einiges mehr her. Ich hatte Ende Juni echt Pech mit dem Wetter. Aber es gibt ja eine Liste ‚unbedingt nochmal hin‘.