Seit ein paar Jahren denke ich immer wieder über Grenzen nach. Über Ländergrenzen. Oder fehlende solche. Eng damit verbunden sind Grenzen im Kopf, die es einigen von uns so schwer machen, sich eine Welt ohne solche vorzustellen. Ich bin geboren und aufgewachsen in Europa, eigentlich immer in Deutschland, das sich aber wie Europa angefühlt hat.
Vermutlich hat das etwas damit zu tun, dass ich öfter mal in ‚Grenzregionen‘ unterwegs war und bin. Es gab auch Zeiten, da hab ich das mit den Grenzen, bzw. den fehlenden, so gar nicht registriert, als Selbstverständlichkeit hingenommen.
Aber seit Europa angefangen hat seine Grenzen wieder zu schließen, Zäune und Mauern errichtet werden, um Menschen daran zu hindern in ein Land zu kommen, fallen sie mir verschärft auf, meine grenzenlosen Grenzgänge.
Beim Wandern in den Bergen und auch auf unseren Weitwanderwegen. Im Wechsel zwischen Deutschland, Österreich und auch mal der Schweiz. Oder von Österreich schnell rüber nach Italien.
Mir fällt dann ein, dass das früher nicht so war. Da gab es noch
Grenzen, so lange ist das noch nicht her. In den Bergen hat man das auch damals nicht so gemerkt, da gab es nur so ein Steinbild mit dem lustigen ‚Ö‘ drauf. Aber auf den Straßen waren überall Zollhäuschen und man wurde eigentlich immer kontrolliert.
Die Grenzen nach Österreich sind in meiner Erinnerung verbunden mit der Angst eines Kindes, man könnte irgendwas falsch gemacht haben. Man stand manchmal lang in Schlangen und Grenzbeamte haben ins Auto geschaut. Wir Kinder waren das Alibi, dass wir meistens durchgewinkt wurden.
Mir ist das wichtig, ich finde es schön, mir keine Gedanken über Grenzen zu unseren Nachbarstaaten machen zu müssen. Ich finde es eine ganz große Errungenschaft unseres Europas. Es fühlt sich frei an.
Das ist der Grund, warum ich es so schlimm finde, dass nicht alle so grenzfrei leben können. Dass wir, nur weil wir das Glück haben hier leben zu können, anderen diese Freiheit verwehren. Ich frage mich, mit welchem Recht? Dem ‚Glück der Hiergeborenen‘?
Ich denke darüber nach, warum ich darüber nachdenke. Oder wieso ich ein anderes Verhältnis zu Ländergrenzen habe als die, die sie (wieder) schließen wollen.
Vielleicht weil ich an einer Ländergrenze aufgewachsen bin, einer irgendwie netten Ländergrenze. Um genau zu sein, an dem kleinen Grenzflüsschen Sauer/Sure, das Deutschland von Luxemburg trennt.
Meine Mutter ist – da muss ich mich auf Erzählungen verlassen – mit uns Kindern im Kinderwagen über die Fußgängerbrücke rüber nach Luxemburg zum Einkaufen. Kaffee, Butter und Schokolade. Das war verboten. Es gab das , was man den kleinen Grenzverkehr nannte, und diese in Luxemburg nicht besteuerten und somit günstigen ‚Luxusgüter‘ durfte man nicht über die Grenze bringen. Die Grenzbeamten haben genau gewusst, was da im unschuldigen Kinderwagen transportiert wurde und haben wohl das ein oder andere Späßchen mit der jungen Mutter gemacht. Wie gesagt, so gesehen, war es eine nette Grenze.
Früher waren wir im Sommer oft in der Sauer schwimmen. Die Kinder von der Luxemburger Seite natürlich auch. Da haben sich die Nationalitäten munter vermischt und keiner hat sich darüber Gedanken gemacht.
Wenn ich heute zu Besuchen in Trier bin, ist das ganz
selbstverständlich, im Nachbarland einzukaufen, ins selten überfüllte Schwimmbad in Grevenmacher zu gehen, zwischen Deutschland, Luxemburg und Frankreich hin und her zu wandern oder einfach mal nur an der Mosel oder Sauer entlang zu fahren, weil es da so schön ist.
Gleiches gilt für Ausflüge von Augsburg aus, meiner Wahlheimat. Mal schnell nach Österreich zum Wandern oder ein Wochenende im italienischen Südtirol, es steht mir frei, ich kann das machen, einfach so.
Mir stehen so viele Möglichkeiten offen, wie kaum einer anderen Nationalität. Weil unser deutscher Pass wohl einer ist, der uns die Grenzen zu fast allen Ländern der Erde öffnet. Was für ein Luxus. Ich denke es ist längst überfällig, dass diese Grenzen aus den Köpfen der Menschen verschwinden. Das mag ein utopischer Wunsch sein, aber Wünsche sind erlaubt, immer, grenzenlos!
Für mich gibt es keine Alternative, kein Zurück mehr. Ich brauche keine Ländergrenzen. Ich mag extrem naiv erscheinen, aber ich bin der Überzeugung, wenn wir alle die Möglichkeit hätten hinzugehen wohin wir wollen, viele würden bleiben wo sie sind. Entscheidend ist es, die Möglichkeit, die Freiheit zu haben. Sie auch zu ergreifen, ist ein wesentlich weiterer Schritt und Heimat, ja das ist dann ein anderes Thema.
Das Museum Burg Posterstein veranstaltet die Blogparade „#SalonEuropa – Europa ist für mich … “ gleichzeitig mit der Ausstellung vor Ort und in Kooperation mit Tanja Praske von Kultur-Museum-Talk.
Liebe Claudia,
leider sind die Grenzen in den Köpfen der Menschen das größte Hindernis für eine wirklich grenzfreie Welt. Und ich glaube, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich die Menschen als Weltbürger verstehen. Aber die ersten Schritte sind getan und vor allen Dingen Europa kann darauf stolz sein!
Viele Grüße
Roland
Liebe Claudia,
merci für deine so wahren Worte! Es ist schon spannend zu lesen, wie unterschiedlich scheinbar das Thema Grenzen innerhalb der Blogparade angegangen wird und wie ähnlich der Schluss doch ist, unabhängig von welcher physischen Grenze gerade geschrieben wird. Eine Normalität in der Grenzregion – die Vermischung im Alltag!
Ein Trauerspiel ist dann die Grenze im Kopf. Ich musste schon an deinen Beitrag zu #DHMMeer denken, da ging es auch um mentale Grenzen, die Menschenleben auf dem Meer fordern. Grenzen, die abzubauen sind und ersetzt werden sollten durch Menschlichkeit, denn dann ist es normal miteinander einen respektvollen Umgang zu pflegen.
Ich hinke gerade „leicht“ hinterher beim Kommentieren und bin froh, dass Burg Posterstein da so auf zack ist. Dir danke ich ganz herzlich für dein erneutes Mitmachen zum Thema Europa!
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja, letztlich sind das Meer und Europa ja nicht voneinander zu trennen. Schließlich sind schon zu allen Zeiten die Menschen vom Land aufs Meer hinaus, um zu entdecken, was ‚auf der anderen Seite‘ ist.
Auf jeden Fall wieder eine Blogparade, die zu denken gab.
Liebe Claudia,
vielen Dank für deinen ganz persönlichen und wunderbaren Beitrag! Du sprichst es an. Grenzen sind nicht immer nur Grenzübergänge. Dort scheint das Zusammenleben über gedachte Linien auf der Landkarte oft von ganz allein zu funktionieren. Grenzen sind oft Grenzen im Kopf. Und ich stimme dir voll und ganz zu (auch wenn es vielleicht utopisch ist), träumen kann man immer! Und ohne Grenzen. Das ist ein schöner Traum und ich träume gern mit dir mit. Denn aus Träumen kann ja auch Wirklichkeit werden.
Vielen Dank, dass du am #SalonEuropa teilgenommen hast und viele herzliche Grüße aus Posterstein
Franziska
Liebe Franziska, die Blogparade hat zum Nachdenken angeregt und das ist immer prima. Ich möchte mich noch durch ein paar Beiträge lesen, aber das braucht Zeit. Das Gute ist ja, die kann man sich auch nehmen ?
Viele Grüße
Claudia