Heute weiche ich mal etwas ab, es gibt nur ein Foto, mit vier Büchern. Und wie der Überschrift zu entnehmen ist, handelt es sich nicht um vier Bücher, die ich in der vergangenen Woche gelesen habe – das wäre momentan auch utopisch.
In meinem Elternhaus gab es viele Bücher. Ich bin aufgewachsen mit Büchern und die Liebe zum Lesen hat nie aufgehört. Dass ich in den letzten Monaten keine Muße hatte Literatur zu verschlingen, gefällt mir nicht, aber deswegen in Verzweiflung zu fallen macht auch keinen Sinn. Ich halte mich mit seichter Lektüre auf englisch über Wasser und bilde mir ein, so wenigstens die Herausforderung der Sprache zu haben und meinen Wortschatz zu erweitern.
Als Kind und Jugendliche hat mich meine Mutter (und die Trierer Stadtbücherei 😉 ) mit Lesestoff versorgt. Meine ersten Bücher waren aus der, für die Generation meiner Eltern obligatorischen, Bertelsmann-Bibliothek. Und ein paar Jugendbücher meiner Mutter, die noch in alter Schrift gedruckt waren. Es wurde alles verschlungen.
Als ich nach dem Studium meine Ausbildung zur Buchhändlerin begann, änderte sich das mit der Lese-Versorgung. Nun war ich diejenige, die Bücher mitbrachte. Zu Beginn noch eher vorsichtig. Schließlich war meine Mutter da schon über sechzig und ich war mir nicht sicher, was ihr gefallen würde. Wie spannend, frivol, fantastisch, biographisch, wunderlich, traurig, lustig, anspruchsvoll, trivial durfte es sein?
Die vier Bücher auf dem Foto stehen stellvertretend für die mich immer noch beeindruckende Offenheit, mit der meine Mutter liest – auch heute noch, mit ihren 91 Jahren.
Als ich ihr John Irvings ‚Gottes Werk und Teufels Beitrag‘ zu lesen gab, war ich sehr skeptisch. Nicht nur, weil Irving damals einer meiner Lieblingsautoren war, sondern natürlich auch wegen des heiklen Themas des Buches. Während sie das Buch las, hat sie mehrfach bei mir angerufen, um mir zu erzählen, an welcher Stelle sie gerade ist und dass sie es viel zu schnell liest, weil es ihr so gut gefällt. Sie hat es kurz danach noch einmal langsamer gelesen 🙂 .
Das hat mich mutig gemacht und es folgten noch einige Überraschungen – oder kämt ihr auf die Idee einer über 70jährigen ‚Die Nebel von Avalon‘ ans Herz zu legen?
Oft waren ihren Reaktionen auf Bücher völlig andere als ich erwartet hätte und sehr unterschiedlich zu meinen. Fand ich zum Beispiel ein Buch lustig, musste sie dabei weinen. Konnte ich relaxed und interessiert eine Biographie lesen, weckte es in ihr Erinnerungen. Aber genau so muss das mit Büchern ja sein.
Ein paar dieser geschenkten Bücher hab ich aus dem alten Haus mitgenommen. Weil das für mich zu den wertvollsten Erinnerungen gehört.
Die Yehudi Menuhin-Biographie hab ich ihr zu irgendeinem Geburtstag geschenkt, weil sie in jungen Jahren tatsächlich mal in einem seiner Konzerte war. Ich selber hatte das Buch nie gelesen und freue mich jetzt total darauf, das endlich nachzuholen.