Kleine Vorgeschichte zu meinem ersten Mitsingen der Misa Tango von Martin Palmeri in einem Projektchor der Gemeinde St. Martin in Visp/Schweiz.
2019 begleitete ich eine Freundin und einige Chorsängerinnen hier aus der Umgebung zu einem großen, zu diesem Zeitpunkt erstmaligen, Chorevent nach New York. Auf dem Programm stand die Misa Tango oder Misa a Buenos Aires von Martin Palmeri unter Leitung des Komponisten. Ich bin nur als Zuhörerin mit, hatte ich doch diese Tango-Messe nie gesungen. Ca. 250 Sängerinnen aus aller Welt kamen damals in New York zusammen, um das Stück in der Carnegie Hall aufzuführen. Die Proben war ein unbeschreibliches Erlebnis.
Seit diesem Zeitpunkt hatte ich mir gewünscht an solch einem Event auch einmal mitsingend teilhaben zu können. Und 2020 im Herbst hätte sich diese Gelegenheit geboten. Geplant war ein ähnliches Konzept in Wien, auch mit Herrn Palmeri. Wir erinnern uns alle an das Jahr 2020, da gab es keine Konzerte. Und auch 2021 nicht. Erst wieder im Herbst 2022 wurde das Konzert in Wien neu angesetzt und ausgerechnet da konnte ich nicht. Inzwischen hatte ich die Noten, Übungsaufnahmen meiner Alt-Stimme und die Messe zigmal gehört – was sich auf jeden Fall lohnt! Gerechnet hatte ich nun nicht mehr mit einer Chance, aber es kam anders.
Und das kam so
Was mein sängerisches Können betrifft bin ich eher zurückhaltend, noch immer die Worte meiner Mutter aus der Kindheit im Ohr „sing halt wenigstens leise“. Viele Jahre im Frauenchor ‚Chorado‘ in Augsburg mit einer Chorleiterin, die viel aus uns herausholen konnte, haben mich ein bisschen selbstbewusster gemacht, aber sicher bin ich nie.
Ein paar Leute aus einem anderen Augsburger Chor, den Chaplains, hatten erfahren, dass in Visp in der Schweiz eine Aufführung der Misa Tango mit mehreren Chören stattfinden würde. Sollte ich mich trauen und endlich einmal mitsingen? Die Entscheidung fiel, als die Chorleiterin der Chaplains Hedwig Oschwald drei Sonderproben anbot und ich super netterweise dort teilnehmen durfte. Dass noch zwei von Martin Palmeri extra zu diesem Event neu komponierte Stücke uraufgeführt werden sollten, machte die Sache ein bisschen komplizierter. Letztlich hat Hedwig uns aber echt gut vorbereitet, was die Nervosität, ob wohl alles klappen wird, auf ein Minimum reduzierte.
Auf nach Visp
Visp liegt im Wallis, das ist gut gerechnet ca. 6 Stunden Autofahrt von Augsburg entfernt. Anreise, Proben und Aufführung waren zeitlich eng getaktet. Freitag, 19.4. Anreise, Samstag wird ab 9.30 Uhr bis abends durchgeprobt und Sonntag, 21.4.2024 um 11.15 Uhr Aufführung in der St. Martinskirche in Visp. Danach kleiner Umtrunk und Abreise. Ambitioniert.
Die Pässe in der Schweiz sind im April natürlich noch geschlossen, deshalb ist ein Autoverlade-Tunnel angesagt. Die Fahrt am Freitag war ziemlich entspannt, vor allem auf den gemütlichen Schweizer Autobahnen und Landstraßen. Für die meisten von uns – wir waren übrigens mit neun Sängerinnen aus Augsburg unterwegs – war eine Autoverlade neu und somit ein kleines Abenteuer. Da ich früher öfter im Wallis zum Skifahren war, kannte ich das und mochte die Strecke durch die verschneiten Berge sehr.
Unsere Unterkunft lag in Brig, großspurig ‚Schlosshotel‘, was aber hauptsächlich bedingt war durch den wirklich traumhaften Blick auf das aus dem 17. Jahrhundert erbaute Stockalperschloss. Sowohl bei Tag als auch bei Nacht ein fotogener Anblick. Das Hotel war allerdings auch völlig in Ordnung.
Der Ankunftstag wurde genutzt für eine Erkundung von Brig, ein netter kleiner typischer Ort des Wallis. Abends dann ein gemeinsames Essen der inzwischen unterschiedlich eingetrudelten Reisenden aus Augsburg. Schonmal ein guter Start.
Proben und Aufführung der Misa Tango
Ein bisschen aufgeregt war ich schon, dass es nun endlich soweit war. Ich war in Visp! Gemeinsam mit ca. 140 Sängerinnen und Sängern aus sechs teilnehmenden Chören und Martin Palmeri begrüßte nahezu alle persönlich mit Handschlag. Ich hatte ihn ja kurz in New York erleben dürfen und war wieder völlig begeistert von diesem netten, freundlichen, humorvollen, charismatischen und dazu sehr geduldigen Musiker.
Geleitet wurden die Proben, die tatsächlich den ganzen Tag in Anspruch nahmen und uns an den Rand der Erschöpfung brachten, vom Visper Musikdirektor und Initiator Johannes Diederen. Es bedarf schon einer besonderen Leistung so viele unterschiedlich ausgebildete Chorstimmen in einem Tag auf einen Nenner zu bringen. Ich behaupte einfach mal, das hat er meisterlich hinbekommen.
In der Mittagspause konnte ich mich ein wenig mit dem (Weltklasse) Bandoneon-Spieler Pablo Mainetti unterhalten. Ihm war nämlich sichtlich langweilig. Immer nur ein kleines Stück spielen, Unterbrechung, weil der Chor wieder angeleitet wurde, ein kleines Stück spielen, Unterbrechung. Man kann es sich vorstellen, dass das Geduld erfordert und eher nervenaufreibend langweilig ist. Es stellte sich heraus, dass Pablo die Misa Tango noch nie vorher gespielt hatte und nicht wusste wie es am Ende, zusammengesetzt, klingen würde.
Um das schonmal vorweg zu nehmen. Beim abschließenden Umtrunk nach der Aufführung habe ich ihn gefragt, wie es denn nun für ihn war. Und er sagte sinngemäß „es war ein wunderschönes Gefühl diese Messe in dem Raum (einer Kirche) zu spielen und zu hören, für den sie komponiert wurde“.
Die letzte Stunde der Proben war dann zum ersten Mal gemeinsam mit dem Orchester (aus Visp) und der Solistin Stephanie Szanto.
Da waren wir wohl alle schon ziemlich durch, hatten kaum noch Stimme und waren völlig erschöpft. Nach Ankunft zurück in Brig war nur noch ein schnelles Essen drin.
Sonntag, Tag der Aufführung. 9.00 Uhr Generalprobe in der Kirche. Erst einmal ein kleines Gerangel auf den Podesten. 140 Leute müssen einen Platz finden, an dem sie sich wohl fühlen mit benachbarten Stimmlagen 😉 . Und die Akkustik in einer Kirche ist so anders als in einem Probenraum, das ist gewöhnungsbedürftig.
Die Martinskirche in Visp ist richtig groß und ich dachte erst, die wird nie voll werden. Getäuscht, bereits eine Stunde vor Konzertbeginn kamen die ersten Zuhörer, um sich Plätze zu sichern. Am Ende war die Kirche bis auf dem letzten Platz besetzt.
Ich mag sie, die leichte Aufregung bevor es los geht. Die gespannte Stimmung, das Kribbeln und die große Konzentration. Gehört einfach dazu.
Das Publikum war gebeten worden nicht zwischendurch zu klatschen, die Messe sollte als Ganzes, ohne Unterbrechung wirken.
Was für ein Gänsehautmoment, als die letzten Töne ganz leise verklangen und kein Mucks in der Kirche zu hören war, bevor das Klatschen begann und das Publikum uns mit Standing Ovations bedachte.
Der Moment an dem mir klar wurde, yippie, ich habe die Misa Tango mitgesungen, es nicht vermasselt, mit Martin Palmeri am Klavier, der uns Beifall klatschte und sichtlich gerührt war von der Aufführung. Was für ein Erlebnis. Das wird und darf noch lange nachhallen.
Das Foto habe ich von der Webseite des St. Martinchors in Visp ‚geklaut‘. Ich muss da wirklich widersprechen. ‚Schön wars‘ ist sowas von untertrieben. Es war einmalig, bewegend, ein Erlebnis der besonderen Art, hach, einfach grandios.
Und auch das, wir Augsburger hatten Spaß miteinander, danke für die nette Aufnahme in die Runde an dieser Stelle, und es gab so viele, zu kurze Gespräche mit Mitgliedern aus den anderen Schweizer Chören.
Happy me 🙂
Du hast es wunderbar auf den Punkt gebracht! Wie schön, das nochmal alles so nachlesen zu können.
Es war ein einmaliges Erlebnis, wirklich.🥰