John Irving, Jeffery Deaver – von Büchern und ihren Einflüssen

Wie oft sind wir in unserem Buchmenschenleben schon gefragt worden, oder haben uns selber darüber Gedanken gemacht, ob ein Buch unser Leben verändert hat. Oder starken Einfluss auf unser Leben hatte.

Ich habe das immer verneint und würde es auch heute noch tun. Es gibt nicht das eine Buch, das mein Leben verändert hätte. Natürlich ist es das Lesen an sich, das großen Einfluss auf den Fluss des Lebens hat. Aber das muss nicht extra erläutert werden.

In letzter Zeit denke ich wieder viel darüber nach. Warum? Weil wir vor kurzem unsere und meine Freundin Charlotte mit einer kleinen wirklich schönen Feier von dieser Welt verabschiedet haben. Und ich ein paar Fotos von unseren gemeinsamen USA-Reisen, mit diversen Zitaten aus ihren Reisetagebüchern gespickt, vorgetragen habe. Und so oft tauchen Bücher, die Suche nach Buchhandlungen und der Satz „dann noch im Auto gesessen und gelesen“ auf.

Mir ist dabei sehr bewusst geworden, dass es nicht ein Buch war, das einen ziemlich großen Einfluss auf mich und uns hinterlassen hat, sondern ein Autor. Im vorherigen Blogartikel hatte ich es bereits erwähnt, wir waren beide Anhänger der ersten Stunde von John Irving. Seine ersten Bücher wurden in deutscher Übersetzung entdeckt, später konnten wir es nicht erwarten und arbeiteten uns durch die Originalausgaben. John Irving war es, der uns dazu brachte nicht nur der englischen Sprache mächtig zu werden, sondern motivierte uns auch zum Reisen in die USA. Schließlich wollten wir einmal unbedingt sehen, wo seine ersten Bücher spielten und wie sein (damaliges) Zuhause so aussah.

So führte uns unsere erste große USA-Camping-Reise 1992 nach New England, ins Land von Garp und dem Hotel New Hampshire. Und weil wir nicht nur einen Autor gelesen hatten (natürlich nicht), sondern unter anderem die Krimis von Sara Paretzky liebten, die in Chicago spielten, hängten wir eine Woche dort an. Nach Chicago sind wir in den folgenden Jahren immer wieder zurückgekehrt.

Es hat uns gefallen das Reisen in den USA, die großzügigen Campingplätze, die unkomplizierten Menschen, die Freundlichkeit, die Offenheit. Wir kamen wieder, entdeckten die großen Nationalparks des Südwestens, umrundeten die Great Lakes, fuhren die gesamte Westküste von Süd nach Nord ab und zurück durch die Wüste Nevadas und Utahs. Verbrachten kalte Nächte in den Rocky Mountains und schwitzten in den Great Plains. Und endeten unsere lange Reisepartnerschaft mit der Reise 2011 wieder in New England und Chicago. Charlotte hatte dann einfach das lange Fliegen satt und für mich begann die Phase des Alleine-Reisens.

Schon allein die Tatsache, dass wir so ein tolles Reiseteam wurden und sich so viele unglaubliche Erinnerungen ansammeln konnten, zeigt mir, dass Bücher mein Leben sehr wohl stark beeinflusst haben. John Irving ist schuld 😉 .

Auf jeder Reise haben wir uns in neue Literatur eingelesen. Tony Hillerman entdeckt, Joyce Carol Oates, die das Leben des Mittelwestens so treffend beschreiben kann, Paul Auster mit seinen frühen Büchern, Eric Larson mit seinem Chicago-Roman ‚The Devil in the White City‘, Jane Smiley, Anne Tyler, Louise Erdrich und so viele mehr.

Mit Bedauern haben wir das Sterben der Buchhandlungen in den USA beobachtet, das es uns immer schwerer machte sich vor Ort mit Literatur einzudecken.

Alleine unterwegs

Gelesen habe ich schon immer. Die Entscheidung, nach dem Studium noch eine Buchhandelslehre anzuhängen, habe ich nie bereut. Nach fast 13 Jahren im Außendienst des O’Reilly Verlages habe ich begonnen alleine durch die USA zu reisen. Dass ich nicht immer ganz alleine war, verdanke ich einem anderen Autor: Jeffery Deaver und seiner Lincoln Rhyme-Serie.

Und das kam so.

Der Protagonist Lincoln Rhyme ist vom Hals abwärts gelähmt. Ich gestehe, ich hatte mich mit der Problematik, was das bedeutet nie beschäftigt. Beim Lesen der Krimis stellte ich fest, dass ich mehr darüber wissen wollte und fing an im Internet nach Informationen zu suchen. Schnell stieß ich auf den Youtube-Kanal eines von den Schultern abwärts gelähmten US-Amerikaners namens Chris. Er hatte sich bei einem Fallsprung das Genick gebrochen und beschrieb nun sehr detailliert in Form von Videos sein neues, anderes Leben.

2009 befreundeten wir uns auf der relativ neuen Plattform von Facebook. Es war damals noch recht einfach und man dachte über Privatsphäre-Einstellungen noch nicht so viel nach. Chris hatte ‚Freunde‘ überall in der Welt, da er sowohl durch das Fallschirmspringen als auch seine Videos große Reichweite hatte.

Unter den Kommentaren bei seinen Posts war oft eine weitere US-Amerikanerin aus Wisconsin, die mich interessierte: Nan, die sich für ökologischen Landbau in ihrer Region einsetzte. Wir freundeten uns an und schrieben uns ellenlange Nachrichten. Früher hätte man wohl Brieffreundschaft attestiert.

2011 war es dann soweit, dass ich sie auf ihrer Farm in Wisconsin das erste Mal besuchte. Geplant war ein Wochenendbesuch, ich blieb zehn Tage. Der Rest ist Geschichte 🙂 .

Über den Kontakt mit Chris habe ich noch viele andere tolle Menschen in den USA kennenlernen dürfen. Ihn selber habe ich tatsächlich nie persönlich getroffen und letztes Jahr ist er gestorben. Über all die Jahre hat er sich immer mit uns gefreut, dass so tolle Begegnungen und Freundschaften entstanden sind.

Und wir erinnern uns, zurück zur Literatur, Jeffery Deaver war der Auslöser. 🙂

Der neue Irving

Im Oktober ist der neue Roman von John Irving im Original erschienen ‚The Last Chairlift‘. Da ich inzwischen wieder zurück im Buchhändlerleben bin, war der lang angekündigte neue Irving natürlich längst für Charlotte vorgemerkt. Sie hat es leider nicht mehr erlebt.

Als ich Ende Oktober den Roman in Händen hielt, sind mir Cover und Titel erst so richtig bewusst geworden. Gemeinsames Skifahren war in jungen Jahren ein wunderbarer erinnerungswerter Teil unserer Freundschaftsgeschichte. Ich hab mich noch nicht so recht getraut das Buch zu lesen. Das muss noch ein ein wenig auf seine Zeit warten.

Anders als geplant

Als ich den Artikel im Kopf hatte, wollte ich über das Lesen, Bücher im allgemeinen und den Einfluss der Bücherwelt auf mein Leben schreiben. Es geht mir oft so, dass ich eine Idee habe, schon tagelang im Kopf vorformuliere und wenn es ans Schreiben geht, entsteht etwas völlig anderes. Heute wollte es persönlicher werden und so soll es denn sein. Und weil es so geworden ist, endet es mit einem, wie ich finde, sehr treffenden Zitat John Irvings aus ‚Owen Meany‘ zum Thema Verlust.

„Wenn eine Person, die du liebst, stirbt und du es nicht erwartest, verlierst du sie nicht auf einmal; du verlierst sie über eine lange Zeit in kleinen Bruchstücken – so wie die Post nicht mehr kommt und ihr Duft aus den Kissen und sogar aus den Kleidern in ihrem Schrank und ihren Schubladen verblasst. Allmählich sammelst Du die Teile von ihr, die weg sind. Gerade wenn der Tag kommt – wenn es einen bestimmten fehlenden Teil gibt, der dich mit dem Gefühl überwältigt, dass sie für immer weg ist -, kommt ein anderer Tag und ein anderer spezieller fehlender Teil. “

 

 

Ein Gedanke zu „John Irving, Jeffery Deaver – von Büchern und ihren Einflüssen“

  1. Sehr schön geschrieben, Claudia! Du weißt, ich kann die Liebe zu den amerikanischen Erzählern gut nachvollziehen. Irving spielt für mich auch eine große Rolle. Auch Oates. Dazu kommen Franzen, Eugenides, Auster und Hustvedt. Die Lincoln Rhyme Romane mögen wir auch sehr. Nicht zu vergessen Anita Shreve. Die Amerikaner haben so viel zu bieten! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann auch das Nobel-Kommittee John Irvings Lebensleistung würdigen wird.
    Liebe Grüße aus Berlin,
    Michael

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.