Nachdem ich im vorangegangenen Artikel gemeinsam mit meiner Freundin Charlotte von Boston bis Chicago gereist war, anschließend alleine weiter fuhr zur Farm in Wisconsin, kam der Bericht zu den langen, oft einsamen Strecken über den südlichen Mittelwesten bis zu den Nationalparks des Südwestens der USA.
Nach einigen eisigen Nächten auf dem Canyonplateau, gefolgt von traumhaft sonnig klaren Tagen in relativer Einsamkeit, war ich von den vielen Menschen im Bryce Canyon Nationalpark und besonders im Zion NP richtig überfordert. Die Campingplatzsuche gestaltete sich zunehmend schwierig und ich hatte Lust auf ein bisschen Luxus.
Das wirklich Beste am Alleinreisen ist die Entscheidungsfreiheit. Okay, das kann auch mal hinderlich sein, wenn man sich nicht entscheiden kann, weil es zu viele spannende Optionen gibt. 😉 .
In diesem Fall fiel mir die Entscheidung leicht und ziemlich spontan zu. Im Zion NP war es so voll, dass selbst die Overflow-Parkplätze voll waren. Also bin ich einfach ein paar Meilen weiter gefahren bis ins nächste Welcome Center in Nevada. Ich glaube diese Welcome Center, die immer gleich bei ‚Grenzüberquerung‘ zu einem anderen Bundesstaat an einer größeren Interstate liegen, werden nur von sehr wenigen Menschen genutzt. Ich bin so eine.
Da liegt jede Menge Infomaterial rum und ein oder zwei gelangweilte Mitarbeiter warten darauf, dass jemand vorbei kommt. Das bedeutet allerdings nicht, dass man dort nicht super freundlich empfangen und beraten wird. Außerdem gibt es natürlich free Wifi und saubere Rest Rooms.
Bei meiner Planung war auf dieser Reise Las Vegas eigentlich nicht vorgesehen, aber nun war ich schon fast da und hab mir dann gleich vom Welcome Center aus ein kleines Hotel am Rande des Strip für zwei Nächte gebucht.
Ich war früher bereits einige Male in Las Vegas, da die Stadt sich hervorragend für den Beginn oder das Ende einer Reise durch den Südwesten der USA anbietet. Alleine ist das mit den Städten aber immer so eine Sache. Das ist nicht so mein Ding. Aber die Aussicht auf Wüstenklima, ein richtiges Bett und heißes Duschen war einfach zu verlockend.
Las Vegas – Death Valley
Was soll ich sagen, Las Vegas ist einfach super easy, auch alleine. In warmer Abendluft über den Strip schlendern, mit hunderten anderer Touristen irgendwelche Wasserspiele anglotzen, Cocktail trinken vor einem der großen Hotels, über einen Elvis-Contest stolpern und lecker essen. Zwei Tage pures Vergnügen und Erholung vom Campen.
Dann war es auch wieder genug und das nächste Ziel Death Valley stand auf dem Programm. Schon auf früheren Reisen wäre ich gerne mal hierher, aber in den Sommermonaten ist es einfach zu heiß dort.
Selbst zu diesem Zeitpunkt Mitte Oktober kletterte das Thermometer tagsüber auf 38°C. Da ich langsam unter Zeitdruck stand mit meiner Reiseplanung, beschloss ich in nur einen Tag das Death Valley zu durchfahren. In meinem Reiseführer (übrigens ganz hervorragend: Reise Know-How ‚USA- Der ganze Westen‚) war ein Campingplatz am Westausgang des Valleys empfohlen und manche Plätze sind einfach eine Erwähnung wert. Dieser, Panamint Springs, hatte eine Tankstelle mit kleinem Laden und ein Diner, in dem 150 verschiedene Biersorten im Angebot waren. Und das mitten im Nichts. Ich habs nicht überprüft 🙂 und nur eines probiert. Rückblickend wurde es die wärmste Nacht im Zelt der gesamten Reise.
Verlässt man das Death Valley gen Westen leuchten von Weitem die hohen Berge der Sierra Nevada und locken zu einem Besuch. Für mich auf dieser Tour nicht eingeplant, denn gerade mal eine Tagesfahrt war ich von meinem Ziel, die Füße in den Pazifik zu tauchen, entfernt.
Santa Barbara und eine Planänderung
Am 16. Oktober 2011 kam ich in Santa Barbara an. Warum gerade Santa Barbara? Als klar war, dass ich nach fast 13 Jahren meinen Job beim O’Reilly Verlag aufgeben würde, bin ich von meinen Kollegen mit diversen Abschiedsgeschenken überrascht worden. Zu gehen, wenn man nicht muss, sondern noch Freude am Job hat, ist ein besonderer Luxus und mir auch nach diesen vielen Jahren noch in herzerwärmender Erinnerung.
Ein besonderes Geschenk wurde mir von einem Kollegen des befreundeten dPunkt Verlages gemacht. Ich durfte ein paar Tage in seinem Haus in Santa Barbara wohnen. Die Nachbarn hatten den Schlüssel, ich rief am Tag vor meiner Ankunft dort an und wurde herzlich empfangen. Einladung zum Abendessen inklusive.
Als erstes bin ich zum Einkaufen gefahren, um mir Leckereien und eine Flasche Sekt zum Feiern zu kaufen. Dann sollte es noch am Abend zum Pazifikstrand gehen. Auf dem Weg dorthin fuhr mir an der Abzweigung zum Strandparkplatz eine Frau mit ihrem SUV hinten auf meinen kleinen gemieteten Ford Focus auf. Große Aufregung bei ihr, völlige Gelassenheit bei mir, als ich gesehen habe, dass nur die Stoßstange verbogen und die Rückleuchten nicht beschädigt waren. Ich wollte schließlich zum Meer!
Nach Austausch von Telefonnummern und E-Mailadressen, fuhr ich zum Strand. Und da stand ich nun, meine Füße im Pazifik und irgendwie völlig sprachlos, dass ich es getan hatte. Den Traum erfüllt. Fassen konnte ich das in diesem Moment wohl nicht.
Der nächste Tag war … eine Art Haushaltstag. Die Waschmaschine füllen, mit der Mietwagenfirma wegen des Schadens telefonieren (bei voller Versicherung alles kein Problem), Blogartikel schreiben, mit lieben Menschen zuhause telefonieren, Santa Barbara anschauen und in eine Buchhandlung stöbern gehen.
Bei all dem bin ich so sehr zur Ruhe gekommen, kein Überlegen, wo geht es morgen hin, kein Zelt auf- und abbauen, nicht frieren sondern einfach mal nur bummeln.
Da die Mietdauer für Autos in den USA auf 8 Wochen begrenzt ist, war klar, dass ich das Auto am 28. Oktober in San Francisco würde abgeben müssen und gegen ein neues tauschen. Geplant (und gebucht) war, mit dem neuen Auto durch die Südstaaten der USA in den nächsten vier Wochen bis nach Florida zu fahren und von Miami dann zurück nach Hause zu fliegen.
Irgendwie passte das auf einmal nicht mehr. Mein Traum war es, von Ost nach West zu fahren, im Atlantik zu baden und in den Pazifik meine Füße zu tauchen (zu kalt zum Baden 😉 ). Alles andere erschien mir zu viel. Es war zu diesem Zeitpunkt alles erreicht, was ich mir gewünscht hatte. Und es war gefühlt zu gut, um es noch fortzusetzen. Es war einfach fertig. Der kleine Unfall erschien mir wie ein Zeichen, es gut sein zu lassen.
Aber was tun statt dessen?
Alles anders, die letzten 10 Tage der USA-Reise
Nach kurzer Korrespondenz mit Andreas in Augsburg, – dem besten Travelagent von Welt, kann ich gar nicht oft genug betonen – wurde umgebucht. Ich würde kein neues Auto mehr mieten, der Flug von Miami nach München wurde storniert, statt dessen gab es einen Flug nach Cancun – ja, das ist in Mexiko. Einfach noch zwei Wochen an die Karibikküste von Yucatan, Strand, Sonne und gutes Essen genießen. Verrückt? Ja, ein bisschen, aber war das nicht die ganze Reise schon so?
Einen weiteren Tag genoss ich das Haus in Santa Barbara, bis ich Richtung Norden zum Highway 1 aufbrach. Diese Küstenstraße wird nicht umsonst als eine der schönsten bezeichnet. Man könnte ständig stehen bleiben und die Farben des Meeres bestaunen.
Auf einem der Campingplätze im Südwesten hatte ich ein Ehepaar kennengelernt, die sich bei einem Abendessen länger mit mir unterhalten haben. Sie waren auf Urlaub mit einem dieser großen Camper unterwegs und kamen aus Carmel, das am Highway 1 liegt. Eine dieser zufälligen, freundlichen Begegnungen, die das Reisen in den USA für mich so interessant machen. Sie gaben mir ihre Telefonnummer und Adresse und luden mich ein, bei Ihnen zu übernachten, sollte ich in ihrer Gegend vorbeikommen.
Ich dachte bei mir, das traue ich mich sowieso nicht, aber aus einer Laune heraus rief ich morgens bei ihnen an und sagte, dass ich abends bei ihnen in der Nähe wäre. Sie waren total begeistert und freuten sich auf meinen Besuch. Wow, tolles Haus, direkt am für die Öffentlichkeit verbotenen Strand von Carmel – das ist ein kleiner teurer mondäner Ort, in dem Clint Eastwood mal Bürgermeister war. Ich wurde fürstlich bekocht, wir unterhielten uns prächtig und durfte im Gästezimmer übernachten.
Nach ausgiebigem Frühstück machte ich mich glücklich über die nette Begegnung auf Richtung Santa Rosa. Dort wollte ich einen Kollegen von O’Reilly besuchen, mit dem ich über die Jahre immer mal wieder in losem Kontakt gestanden hatte und vielleicht auch bei O’Reilly Media in Sebastopol vorbeischauen.
Und irgendwann musste ja mal ein kleiner Dämpfer kommen. Nicht dramatisch, aber ich erinnere mich so gut an meine maßlose Enttäuschung. Die ganze Reise über hatte der Kollege mich virtuell begleitet und auf einmal war er nicht mehr ereichbar. Ich hatte seine Telefonnummer, seine Adresse, aber er reagierte nicht auf meine Nachrichten. Ich hab mir also in der Nähe einen Campingplatz gesucht und bin am nächsten Morgen einfach mal zur Adresse (war ein Sonntag). Keiner da. Kam mir sehr seltsam vor. Man denkt ja dann, es ist vielleicht etwas passiert.
Ziemlich frustriert und enttäuscht (ich hätte den Schlenker nach Santa Rosa nicht gemacht) bin ich erstmal in einen Diner frühstücken und da ich noch 6 Tage Zeit bis zu meinem Flug hatte, wurde mal wieder spontan umgeplant. Ein kurzer Blick in die Karte zeigte mir, dass der Yosemite NP gar nicht so weit ist. Da wollte ich sowieso schon immer mal hin.
Tja, was soll ich sagen. Was für ein schöner Abschluss. Zwar wieder kalte Nächte, aber sonnige Traumtage. Sogar eine kleine Wanderung konnte ich machen. Zu guter Letzt alles richtig gemacht.
Die verbliebenen drei Tage in San Francisco waren ein wenig wie im Tran. Das Auto war abgegeben, der Koffer fertig gepackt, das Zelt und diverse Campingutensilien verschenkt. Auf einmal fand ich es schade, dass niemand bei mir war, mit dem ich die Tage in der Stadt hätte ausklingen lassen können. Es war tatsächlich Zeit zu gehen.
Am letzten Abend bin ich am Fishermans Wharf in ein Restaurant, um stilvoll eine Clam Chowder im Brotteig zu essen und ein kühles Bier zu trinken. Ist man alleine in Städten unterwegs, dann empfiehlt es sich an der Bar zu sitzen. Der Barkeeper war der festen Überzeugung es müsste einen triftigen Grund geben, solch eine Reise allein zu unternehmen. Dass es für mich einfach der richtige Zeitpunkt zu sein schien, ließ er nicht gelten. Dass ich im Jahr darauf 50 werden würde, zauberte ihm ein ‚I knew there is a reason‘ auf die Lippen. 🙂
Gefühlt gab es für mich keinen bestimmten Grund, außer dem, dass es sich richtig anfühlte. Die Erlebnisse dieser Reise, das Lebensgefühl, die Erkenntnis, dass ich genüge so wie bin und allem voran die durchweg positiven Erfahrungen mit den Menschen, denen ich begegnet bin, kann mir keiner nehmen.
Das ist soo interessant zu lesen und wirklich gut geschrieben!! Einen Teil der Orte konnte ich auch bereisen, eine schöne Erinnerung für mich. Toll, dass du deine Erlebnisse so „aufbereitest“. Das macht Spaß.