Vor kurzem hatte ich von meinen drei vorangegangenen Aufenthalten in New York berichtet. Das hätte eigentlich nur eine kleine Einleitung für die Reise im Juni 2019 werden sollen, wurde dann aber doch länger.
Warum letztlich fast zwei Jahre vergehen mussten, bis ich mich mal hinsetze, um meinen vorerst letzten Besuch in New York bzw. Manhattan zu beschreiben, weiß ich gar nicht so genau. Es war einfach nicht die richtige Zeit und wahrscheinlich brauchte ich auch den Abstand. Aber jetzt, mal sehen, was dabei herauskommt 😉 .
Kurze Vorgeschichte
Anlass der Reise war ein Chorkonzert. Eine Freundin nahm mit weiteren Chorkolleg*innen an einem großen Chorevent in der Carnegie Hall teil. Mehrere Chöre aus aller Welt kamen zusammen, um die ‚Misa Tango‘ von Martin Palmeri aufzuführen. Ich fand die Idee mitzufahren und als Gast dabei zu sein verlockend.
Die Planung begann schon viele Monate im voraus, für mich eher ungewöhnlich und da ich hinterher noch zwei Wochen Reisen irgendwo in den USA anhängen wollte, auch eher unpraktisch. Wusste ich doch zu diesem frühen Zeitpunkt noch überhaupt nicht, wonach mir der Sinn stand.
Aber irgendwann war der Flug für mich, meine Freundin Edith und ihren Mann Thomas gebucht, ebenso die Hotelzimmer und Vorfreude machte sich breit. Die wurde gesteigert durch ein paar Treffen mit den anderen Chorsänger*innen und diversen Mails vom Veranstalter des Events. Manchmal ist es schon toll die Freude auf eine Reise und die Aufregung davor mit anderen zu teilen.
Für mich sollten es insgesamt drei Wochen Urlaub sein, 6 Tage New York mit den Freunden und die anschließenden zwei Wochen – das wurde schließlich ein Flug nach Seattle und von dort mit dem Auto nach Wisconsin mit Rückflug von Chicago – alleine reisen.
Dass letztlich die Freude 6 Wochen vor dem Abflug ziemlich getrübt und dadurch der Aufenthalt in New York auch anstrengend wurde, war (natürlich) nicht absehbar. Am 7. Mai 2019 erreichte mich abends die Nachricht, dass mein Vater, trotz seines hohen Alters von 93 Jahren, plötzlich verstorben ist. Im frühen Zug nach Trier am nächsten Morgen schrieb meine Freundin aus Wisconsin, dass ihr guter Freund Darrell aus Chicago, mit dem ich über die Jahre eine kurze aber einprägsame eigene Freundschaft hatte, in der Nacht ebenfalls gestorben ist. Ich war mir in dem Moment nicht sicher, wem die Tränen gehörten. Natürlich hatte ich geplant, Darrell zum Abschluss der Reise in Chicago noch einmal zu treffen.
Es folgten sechs stressige Wochen, in denen wir nicht nur eine Beisetzung vorzubereiten hatten, sondern auch, ein Wochenende vor meinem Abflug nach New York, den Umzug meiner Mutter in eine neue Wohnung. Wäre nicht alles geplant und gebucht gewesen, ich wäre zu diesem Zeitpunkt nicht geflogen. Letztlich, aus der Entfernung gesehen, war die Entscheidung doch zu fliegen, die völlig richtige. Nicht nur, dass ich beim Fahren durch einsame Landschaften im Norden der USA viel Trauer verarbeiten konnte. In Wisconsin gab es schließlich die Gelegenheit gemeinsam mit meiner Freundin um Darrell zu trauern und uns an gemeinsame Begegnungen zu erinnern. Chicago allerdings hab ich in diesem Jahr nicht besucht.
Manhattan, New York Juni 2019
Mögen die Bedingungen vor Abflug in den Big Apple eher stressig gewesen sein, sobald ich in den Flieger gestiegen bin – das kenne ich schon – beginnt die Reise und der Stress wird zurück gelassen.
New York empfing uns mit strömendem Regen und einer – nach langem Flug und Übermüdung – nervigen Taxifahrt nach Manhattan. Mein letzter Besuch lag ja nun etliche Jahre zurück und Fernseher im Taxi mit Weatherchannel waren mir neu. Das lautstarke ständige Telefonieren des pakistanischen (?) Fahrers tat sein übriges.
Unser Hotel war ziemlich günstig, das Appartment mit zwei relativ kleinen Zimmern und Badezimmer als Zwischenraum für mich völlig ausreichend, die Lage wirklich schön und ebenso der Blick über den Hudson River nach New Jersey. Leider fehlte die obligatorische Kaffeemaschine und für Edith und Thomas war es eher sehr beengend. Ich war erstaunt, wie gut ich während der gesamten Tage schlafen konnte und glücklich über die ruhige Lage.
Der Einstieg in die Stadt, für meine Freunde war es der erste Besuch, ist für mich immer der gleiche. Manhattan erlebt man am schönsten mit einem Blick aus Brooklyn und anschließendem Spaziergang über die Brooklyn Bridge. Das zumindest ist meine Ansicht 🙂 . Ist das Wetter schön und genug Zeit, sollte man ein wenig durch Brooklyn Heights schlendern, in einem der kleinen Cafes einen Stop einlegen und den Blick auf Manhattan genießen.
Wir hatten Nebel und Nieselregen, das ist zwar nicht so schön wie strahlender Sonnenschein, aber der erste Blick auf die Wolkenkratzer, gerade wenn die Spitzen im Nebel nicht zu sehen sind, ist dennoch fantastisch. Die Brooklyn Bridge mündet im Financial District am Südende Manhattans und somit in der Nähe des World Trade Centers. Bei meinem letzten Aufenthalt 2008 war dort noch ein großes Loch, heute ragt das One World Trade Center in die Höhe und im Memorial stürzt das Wasser nach unten. Ersteres sehr beeindruckend, letzteres unglaublich bewegend.
Bevor die Proben zu dem Chorkonzert in der Carnegie Hall begannen, hatten wir noch zwei Tage Zeit die Stadt zu erkunden. Leider war an diesen Tagen Nebel über der Stadt oder es regnete. Rauf auf eine der drei Haupt-Aussichtsterrassen war also keine Option. Netterweise sagen einem sowohl im Rockefeller Center, als auch am Empire State Building und natürlich auch am One World Observatory in der Lobby die Angestellten Bescheid, wenn oben alles in Wolken gehüllt und somit keine Sicht ist.
Unser kleines Grüppchen hat sich dann auch geteilt, weil ich so eine Bummelantin bin und mich gerne einfach in einem Stadtteil treiben lasse. Zudem kann ich mich schwer zurückhalten in New York zu sein und nicht in eine Buchhandlung zu gehen 😉 . Strand Bookstore ist nicht weit vom Flatiron Building entfernt, am Union oder Madison Square kann man sich mit Essen versorgen und auf ein Bänkchen setzen. Nach Pause und Stärkung führt der Weg Richtung Empire State Building, das dieses Mal auf einen Abstecher zur Aussichtsplattform verzichten musste – eben wegen der erwähnten Wolken.
Aber dort in der Nähe am Madison Square Garden steht das altbekannte Hotel New Yorker (heißt heute anders) mit dem immer noch existenten bewährten Diner. Und ja, der sieht immer noch so aus wie 15 Jahre zuvor, schöne Beständigkeit. Klar, dass ein Essen hier sein musste.
Unser Hotel lag zwischen River Side und Central Park, nur ungefähr 5 Minuten zur nächsten Metro-Station. Ich persönlich finde es wichtig bei einer Tour nach New York in Manhattan in Metro-Nähe zu wohnen. Natürlich kann man viel zu Fuß machen, aber die Strecken sind schon gewaltig und mit einer Metro-Wochenkarte ist man hervorragened versorgt. Das schöne an der Lage war die Möglichkeit zum hübschen ruhigen Riverside Park zu schlendern und dort auf das Wasser des Hudson River zu glotzen. Fast wie Urlaub 😉 .
Ein bisschen spazieren im Central Park darf natürlich auch nicht fehlen, einmal im Trubel der Massen die Fifth Avenue gen Süden bis zur St. Patrick’s Cathedral und weiter zur Grand Central Station. Zu Sandwich und Eistee in den Bryant Park, dann ist mein New York Feeling im Rhythmus zwischen Getümmel, Lärm und Erholungsphasen. Vielleicht hab ich die Fluchten ins Alleinesein und die Phasen der Erholung zwischendrin in diesem Jahr mehr benötigt wie zuvor.
Der Beginn der Proben
Wie zu Beginn erwähnt, war der Anlass für den Aufenthalt in New York eine Aufführung der Misa Tango von Martin Palmeri in der Carnegie Hall. Dazu waren Chöre aus aller Welt eingeladen, die diese Komposition bereits aufgeführt hatten. Das alles war mit großem organisatorischem Aufwand (und hohen Kosten für alle beteiligten Chöre) verbunden, denn letztlich kamen über 250 Chorsänger*innen aus aller Welt zusammen, die Misa Tango gemeinsam aufzuführen. Thomas und ich waren ja nur als Begleitperson dabei, mit VIP-Pass, der berechtigte bei allen Proben, der Generalprobe, der Aufführung und dem abschließenden gemeinsamen Essen dabei zu sein. Sozusagen VIP-Zuschauer*in.
Für Freitag Mittag war die erste Probe, das erste Kennenlernen mit den anderen Chorteilnehmer*innen, die Einteilung der Sitzplätze in den einzelnen Stimmen und der allgemeine Ablauf angesetzt.
Wir Zuhörer durften uns überall im Raum außerhalb der Chorzone aufhalten und fotografieren und filmen was das Zeug hält. Und zuhören. Und zu hören gab es einiges.
Ein bisschen läuft mir bei der Erinnerung immer noch ein wohliger Schauer über den Rücken. Zu beschreiben ist das kaum. Schon das gemeinsame Einsingen war – phantastisch. In der gigantischen Akkustik des Probenraums 250 größtenteils gut geschulte Stimmen bei Einstimmübungen zu hören war unbeschreiblich. Martin Palmeri himself als Chorleiter nicht nur charismatisch professionell, sondern auch noch humorvoll sympatisch bodenständig.
Eine halbe Stunde später sagte Palmeri nur ‚lasst uns einfach ein Stück aus der Messe singen‘ (oder so ungefähr). Und dann singen diese Menschen, die noch nie vorher in dieser Besetzung zusammen gesungen haben, los und es klingt – atemberaubend. Der absolute Gänsehautmoment. Knapp zwei Stunden lauschten wir fasziniert den Proben, dann wollten Thomas und ich nach draußen zum ‚Aufwärmen‘ und essen. Wie üblich in New York war der Raum so runtergekühlt, dass man eine Jacke brauchte. Überraschenderweise war draußen blauer Himmel und die Sonne schien zum ersten Mal seit unserer Ankunft vor drei Tagen. Wir haben uns dann im Food Court des Rockefeller Center mit Essen versorgt und in der Sonne sitzend genossen.
Insgesamt war die Teilnahme an den Proben eines der besten Erlebnisse während dieses New York Trips. Die Begeisterung der Sänger*innen mit einem Mann wie Martin Palmeri zu arbeiten ist auf uns Zuhörer voll über gesprungen. Die wirklich tolle Komposition der Misa Tango in ihrer Fülle so hautnah zu erleben war ein echtes Highlight.
Nach dem letzten Probentag sind wir drei nachmittags zu einem weiteren meiner New York ‚Must-dos‘ aufgebrochen. Einer Fahrt auf der kostenlosen Staten Island Ferry. Früher ein Geheimtipp, heute eine echte Touristenattraktion mit Menschenmassen. Aber egal, einmal vom Wasser aus auf Manhattan schauen, die Freiheitsstatue im Augenwinkel, muss einfach sein.
One World Trade Center und die Calatrava Metro Station
Ein für mich persönliches Highlight 2019 war das neu errichtete One World Trade Center mit Memorial und der architektonisch faszinierenden Calatrava Metro Station. Ich hatte ja das World Trade Center bei meinen Reisen nach New York nie gesehen, in den Jahren 2004, 2005 und 2008 nur immer das ‚Loch‘.
Ich liebe es in einer Stadt irgendwo rauf zu fahren und den Blick von oben zu genießen. Nachdem es die Tage zuvor immer bedeckt war, habe ich am ersten sonnigen Morgen auf die Teilnahme an den Konzertproben verzichtet und bin gleich in der Früh zum One World Observatory hinaufgefahren. Ohne Schlangen an der Kasse, mit einer Handvoll Menschen. Der Blick ist gigantisch. Tolle Fotos kann man leider nicht machen, weil alles verglast ist und spiegelt, aber die Aussicht bleibt im Gedächtnis.
Anschließend habe ich mir ein Frühstückchen gekauft und bin zum Hafen geschlendert, um dort die morgendliche Ruhe zu genießen. Ja, es gibt durchaus Möglichkeiten auch in Manhattan Ruhezonen zu finden, sei es in den Morgenstunden, bei nicht so schönem Wetter oder an von Touristenrouten abgelegenen Plätzen. Aber natürlich fliegt man eigentlich nicht nach New York, um Einsamkeit zu finden 😉 .
Unbedingt Zeit einplanen sollte man sich hingegen in/an der von Santiago Calatrava neu erbauten Metrostation am WTC. Die ist von jedem Blickwinkel aus spannend und bietet unzählige Fotomotive. Fast wird man von der eigentlichen Gedenkstätte für die Opfer des 11. September 2001 durch die Faszination dieser Architektur zu sehr abgelenkt.
Der Konzerttag
Nach gerade einmal zwei Probentagen stand am Sonntag, den 23.6.2019 das Konzert der Misa Tango in der Carnegie Hall auf dem Programm. Vormittags war die Generalprobe angesetzt, am Nachmittag das Konzert. Alle waren wir hibbelig und aufgeregt, für Edith wurde es besonders spannend. Zeit zum Umziehen war zwischendrin nicht, so dass wir schon zum Frühstücken in unseren Konzertkleidern Richtung Carnegie Hall fuhren. Wir Zuschauer der Generalprobe mussten in einer Garderobe warten, bis wir zum ersten Mal den ehrwürdigen großen Konzertsaal der Carnegie Hall betreten durften. Gefühlt streng bewacht, wurden wir rein und wieder herausgeführt. Fotografieren oder gar Videoaufnahmen waren verboten während der Generalprobe.
In der Pause vor Konzertbeginn hat sich unsere kleine Chorgruppe in einem Diner noch gestärkt. Und dann ging es auch schon ins Konzert.
Die Sänger*innen durch den Seiteneingang, Thomas und ich auf unsere gebuchten Plätze weit vorne im Zuschauerraum. Dort herrschte hektisches Treiben, Kommen und Gehen, große Unruhe. Als erstes stand die Uraufführung eines ‚Kinderkonzertes‘ an und die Eltern waren in heller Aufregung. Das Filmen und Fotografieren war während des gesamten Konzertes streng verboten und die Ordner permanent beschäftigt Angehörige darauf hinzuweisen. Die wiederum waren so enttäuscht ihre Kinder bei diesem einmaligen Event nicht aufnehmen zu dürfen, dass sich auch während der Aufführung Diskussionen entspannten. So war ein aufmerksames Zuhören fast nicht möglich, dabei war das Stück wirklich toll und der große Kinderchor richtig gut.
Nach der Pause war dann der Auftritt ‚unseres‘ Chores. Die Misa Tango oder auch Misa de Buenos Aires ist – wie der Name impliziert – eine im Tango-Rhythmus komponierte Messevertonung. Der solistische Einsatz eines Akkordeons unterstützt diesen Flair noch. Es lohnt sich das ca. 40-minütige Stück anzuhören.
Leider war es auch bei diesem Teil des Konzertes in den Zuschauerreihen sehr unruhig und teilweise laut. Ich hatte das in diesem so berühmten Konzertsaal nicht erwartet, diesen fehlenden Respekt vor den Künstlern.
Im Nachhinein waren wir uns alle einig, dass das Konzert alleine weder unsere hohen Kosten noch den Aufwand rechtfertigt hätte. Die Carnegie Hall mag zwar einen großen Namen tragen, hat mich aber eher enttäuscht. Letztlich war die Teilnahme an den Proben, die Erfahrung mit einen Martin Palmeri arbeiten zu dürfen bzw. ihm dabei zuzusehen, das eigentliche große Erlebnis. Die Gänsehaut zu spüren, als dieser zusammengewürfelte Chor anfing zu singen, die Emotionalität, die aus den Sänger*innen herausgelockt wurde, das war ganz großes Kino.
Im Anschluss an das Konzert wurde gemeinsam gefeiert, lecker gegessen, noch beisammen gesessen und man kam auch mit anderen Chormitgliedern ins Gespräch. Das fand ich persönlich noch einen schönen Abschluss.
Der Abschied
Gegen Abend hat sich die Gesellschaft langsam aufgelöst und unsere Gruppe aus der Augsburger Umgebung ist noch zu nächtlichen Unternehmungen aufgebrochen. Ich habe mich verabschiedet, um zurück zum Hotel zu fahren.
Für mich sollte am nächsten Morgen in aller Früh das nächste Abenteuer beginnen und mein Koffer wollte noch gepackt werden.
Für halb acht war mein Shuttle zum Flughafen bestellt, wo der Flug nach Seattle anstand. Edith und Thomas haben mich noch verabschiedet, für sie ging es am Nachmittag auch noch weiter.
Ein bisschen traurig war das schon, aber natürlich auch ziemlich aufregend, denn der zweite Teil des Reisens sollte so völlig anders werden.
Das kann dann hier, und hier nachgelesen werden 🙂
… und noch ein paar Bildle 🙂
Liebe Claudia,
danke für diesen schönen Bericht. Vieles konnte ich mit meinen eigenen Bildern im Kopf und Erinnerungen untermalen. Ich war 2017 das bisher letzte Mal in Manhattan und will jetzt erst recht bald wieder hin. Allein schon wegen der ganzen neuen Gebäude und Sehenswürdigkeiten, die in den letzten zwei drei Jahren in NY entstanden sind. Wenn Du die Doku dazu noch nicht kennst, unbedingt anschauen. https://youtu.be/ZNZPjKptPnE
Liebe Grüße,
Raimund
Liebe Claudia, das ist ein wunderbarer Text über New York . Ich war zweimal dort und bin total fasziniert von ihr. Ich hoffe, ich komm nochmal hin. Es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, deinen Text zu lesen und in Erinnerungen zu schwelgen. Liebe Grüße, bis bald Waltraud