Justin Go „Der stete Lauf der Stunden“ – Lesen!

Immer wieder, wenn mich ein Buch so fesselt, dass ich nicht aufhören kann zu lesen und gleichzeitig nicht möchte, dass es endet, stelle ich mir die Frage: was bewegt mich bei einem Buch?

Justin Go 'Der stete Lauf der Stunden'Im Falle von Justin Go ‚Der stete Lauf der Stunden‘ ist es – wie so oft – die Geschichte. Wenn ich eine Beziehung zu den Personen aufbauen kann, mich forttragen lasse in eine andere Welt, mich nur losreißen will, um den natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, mich über Regentage freue und für eine kurze Weile die Romanfiguren Mittelpunkt meiner Gedanken werden, dann passt alles.

Der Autor Justin Go schafft das mit einer Geschichte, die so niemals stattgefunden haben kann, aber was solls. Genau das ist die Kunst. Unseren Wunsch aufzunehmen, einmal im Leben Begegnungen zu haben, die vom Zufall geprägt sind.

Auch wenn das Gerüst der Geschichte irgendwie sehr konstruiert herüberkommt, das kann, sollte man beim Lesen einfach ignorieren.

Das eigentlich fesselnde sind die beiden Erzählstränge. Hier Tristan, auf der Suche nach Beweisen für die Existenz der großen Liebe seiner Ururgroßeltern. Getrieben, geleitet von Zufällen, die ihm bei seiner Reise durch Europa in die Hände fallen, und er darüber fast übersieht, was das Leben für ihn bereit hält.

Dort, in den Wirren des Ersten Weltkrieges beginnend, die Begegnung von Imogen und Ashley, einer Liebe, die scheinbar nur in getrennten Leben existieren kann, um nicht ihrer Größe beraubt zu werden. Imogen, die beschließt aus Ashleys Leben zu verschwinden, Ashley, der letztlich bei einer Mount Everest Expedition 1924 sein Leben lässt.

Das Buch ist nicht perfekt, es hat seine Schwächen, eben gerade in den sehr konstruierten Teilen, was es nicht weniger empfehlenswert macht. Kleine Schwächen sind es doch, die uns alle liebenswerter machen.

„Es sind die kleinen Dinge, die einen herabziehen. Verspätete Züge und verbrannte Desserts und zugige Zimmer. Ich habe auf keinem Berg so elendig gefroren wie in einem zugigen Zimmer. Man kann an Widerständen wachsen, aber die meiste Zeit sorgen wir uns um das verbrannte Dessert. Man muss wirklich kämpfen, um zu erkennen, was das Leben ist. Erst dann wird einem bewusst, wie völlig belanglos ein verbranntes Dessert ist.“

Justin Go
Der stete Lauf der Stunden
Hoffmann und Campe
978-3-455404333