Kennt Ihr das – Leseblockade? Manchmal ist das so, da kann ich nicht lesen, zumindest nicht ‚richtig‘, kontinuierlich, in einer Geschichte versinkend. Das ist frustrierend, aber meist nicht zu ändern, da heißt es geduldig sein und warten, dass es vorbei geht – es geht, bisher immer.
Meist hilft dann seichte Literatur, Krimis z.B.. Bis vor ca. vier Wochen hatte ich sie wieder, eine relativ lang andauernde Lesedurststrecke. Da kam die Anfrage einer Freundin, ob ich sie bei der Sichtung (und dem Lesen) der neuen Leseexemplare wohl unterstützen könnte, gerade recht. Ich übernehme immer gerne die Krimis, da bekommt man schnell mit, ob sie was taugen, für wen sie geeignet sind, mit welchen anderen Autoren zu vergleichen, ob grausam oder eher literarisch, spannend oder vielleicht doch zu lang, mal was Neues oder wieder was Skandinavisches.
Drei habe ich relativ zügig angelesen, als ‚mir nicht gefallend‘ eingestuft, dennoch natürlich bis zum Ende überflogen, denn wer will schon unwissend ob des Ausgangs einen Krimi zur Seite legen!
Ein vierter hat mich bei der Stange gehalten, weil anders. Cay Rademacher ‚Der Schieber‘ (http://www.dumont-buchverlag.de/buch/Cay_Rademacher_Der_Schieber/1142) – ET August, es gibt einen Vorläufer ‚Der Trümmermörder‘. Ich mochte die Art, wie das Buch geschrieben ist, trocken, lakonisch, ein bisschen dunkel-traurig – kein Wunder, spielt es doch im zerbombten Hamburg 1947.
Wirklich zurück in die Welt der Lesenden hat mich jedoch ein anderes Buch geholt. Chad Harbach ‚Die Kunst des Feldspiels‘ (http://www.dumont-buchverlag.de/buch/Chad_Harbach_Die_Kunst_des_Feldspiels/11363) – erscheint im August. ‚The Art of Fielding‘ im amerikanischen Original. Der Klappentext hat mich gelockt, College, New England, Baseball-Analogien, erwachsen werden, Beziehungen – ja, das mag den ein oder anderen jetzt eher abschrecken, das sollte es nicht.
Die ersten 300 Seiten habe ich geradezu verschlungen auf der fünfstündigen Zugfahrt von Augsburg nach Bremen – praktisch ohne Luftholen. Die zweiten 300 wurden im Urlaub auf noch drei Tage verteilt. Nach der letzten Seite kam wieder dieses so schrecklich bekannte Bedauern, dass ich doch hätte langsamer lesen sollen (völlig utopisch), dass das Buch nun zu Ende war, dass ich die Geschichte, die Personen nun verlassen muss, mit denen ich geliebt, gelitten, getrauert, gelebt habe. Aber sind wir doch ehrlich, das ist genau das, was ein gutes Buch, eine gute Geschichte ausmacht – die kurze Lücke, die entsteht bevor man sich in das nächste Leseabenteuer stürzen kann.
Nun hatte ich in meinem kleinen Urlaub kein weiteres Buch dabei (und eine laaaange Rückfahrt) aber natürlich meinen eReader in der Tasche. Ja, ich liebe ihn immer noch, vor allem auf Reisen. Ich mag es, dass ich einfach, schnell und überall an Lesestoff komme. Ich mag es, dass ich nun die ‚Schundliteratur‘, die ich mir zwischendrin reinziehe (nichts anderes ist das und das ist gut so) in englisch für ein paar Euros runterladen kann, kein Buch hinterher mehr entsorgen muss (denn entsorgt werden muss das, damit will frau sich nicht erwischen lassen 😉 ) und ich zu jeder Tageszeit, ohne Warten mit dem Lesen starten kann. Ich gebe zu, dass ich zuhause auf dem Sofa liegend, lieber in einem Buch lese, ich finde das ‚gemütlicher‘, hat wohl auch was mit der Macht der Gewohnheit zu tun, aber missen möchte ich meinen Reader nicht mehr.
Ich hoffe, das Rumhacken auf elektronischen Neuerungen in unserer Branche hört endlich mal auf. Das ist kontraproduktiv. eReader sind da, werden nicht mehr verschwinden, es sei denn durch anderes ersetzt und weiterentwickelt, Vogel Strauß spielen hat noch nie geholfen. Und diejenigen verteufeln, schräg ansehen oder als ‚Buchhandelskiller‘ zu bezeichnen, die sich öffnen für Neues und bereit sind, sich damit auseinanderzusetzen, es anzuwenden, schafft höchstens tiefere Gräben und treibt ‚Gemischtleser‘ wie mich in die offenen Arme des Amazon(as).
Sorry, kleiner, ursprünglich an dieser Stelle nicht vorgesehener Exkurs, der so rausgerutscht ist.
Zurück zur Zugfahrt. Die wurde genutzt zum Weiterlesen des in einem früheren Beitrag schon erwähnten neuen John Irving ‚In one Person‘, den ich auf dem Reader habe. Und so leid es mir tut, sorry Mr. Irving, mein ehemals liebster Lieblingsautor, ich bin gelangweilt. Gelangweilt von der endlosen Thematisierung sexueller Orientierung. Wo sind sie geblieben, die wunderbaren Geschichten? Der liebevolle Aufbau der Beziehungen zu den Protagonisten, der mich mitleben ließ, mitfiebern, mittrauern, wenn ihnen Schreckliches zustieß. Nichts mehr davon ist geblieben. Schade.
Zum Glück gibt es keinen Grund zu verzweifeln, schließlich stehen wahrlich genügend andere Autoren zur Verfügung, die nicht verlernt haben oder gerade erst anfangen uns mit Geschichten zu erfreuen.
Was folgte noch?
Die neue Lily Brett ‚Lola Bensky‘ (http://www.suhrkamp.de/buecher/lola_bensky-lily_brett_42330.html) – wunderbar, komisch, Popgeschichte der späten 60er in Reinkultur. Lesen, unbedingt, kommt im September!
Hallo Claudia, ich kann die Leseblockade nachvollziehen, habe das auch gerade und warte auf ein tolles Buch. Ich werde einige Deiner Lesetipps ausprobieren, sobald sie erschienen sind, kanns kaum noch erwarten. Ich freue mich schon sehr auf Lily Brett und Richard Ford.
Liebe Grüße aus München